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Kolumne Gerd Ernst

Es ist schon ein prickelndes Gefühl, wenn man die Chance hat, etwa 40 Jahre alte Vermerke „Umsetzungsprobleme bei der Humanisierung des Arbeitslebens[i]“ zu lesen. Dort wird wegen des Anspruchs der prak-tischen Relevanz der Forschung für alle Arbeitnehmer noch von einer „Umsetzungs- und Durchsetzungsstrategie“ gesprochen. Dort werden die Umsetzungsbereiche „Gesetzlicher Handlungsrahmen, Normen und Richtwerte“; „Bildungsmassnahmen“; „Dokumentation Informationsdienste, Projektberichte und Handbücher“; „Beratungsdienste“ und „Konzeptionelle Forschung“ unterschieden. In aufwändigen Tabellen werden diese Umsetzungsbereiche den Umsetzungsträgern „Wissenschaftssystem“, „Betriebliches Management“, „Betriebsräte“ sowie „Vertrauensleute und breite Arbeitnehmerschaft“ zugeordnet. In den damaligen Überlegungen wird schon der Unterschied gemacht zwischen patentfähigen Ergebnissen (bei denen „vor allem der Markt mit allen seinen Schwächen über den Erfolg oder Misserfolg der Dif­fusion“ entscheidet) und den anderen Ergebnissen aus Arbeitsstrukturierungs­massnahmen und arbeits­wissenschaftlichen Untersuchungen. Einen Schritt weiter war man 1992, als Erfahrungen zur Organisations­ge­staltung und Er­fahrungen über Einführungsstrategien und Innovations­barrieren eingeführt wurden[ii]. Mit dem neuen Arbeitsforschungsprogramm wurde 2006 dann neben der Zielsetzung „Innovationen fördern“ die Zielsetzung „Innovationsfähigkeit fördern“ mit einem breiten Strauß an Dialoginstrumenten eingeführt. Der Projekt­träger hat mit Unterstützung der IT-Technologie weitere Schritte gemacht, sei es die Verfüg­barkeit einer Liste der geförderten Projekte, sei es ein Überblick über Veran­stal­tungen oder über ver­öffent­lichte Literatur[iii]. Seit mehreren jahren steht auch der FOEKAT, der Katalog der vom BMBF, BMWI, BMEL, BMUB und BMVi geförderten Projekte zur Verfügung (http://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/StartAction.do) . Ebenso haben Vorhaben Methoden zum Transfer ausführlich zusam­men­gestellt[iv].

Doch, wenn man genau nachschaut, ein über den engen Rahmen des BMBF-Projektträgers hinaus­gehendes Modell der Umsetzung oder des Transfers fehlt[v]. 1976 wird die Kritik der Gewerkschaften zitiert, dass die Ausklammerung der Durchsetzungsprobleme dazu führen kann, dass eine Vielzahl von Projekten auf der Ebene unverbindlicher Orientierungshilfen hängenbleibt[vi]. Heute mäkelt man herum, dass diese dicken Bücher von keinem gelesen werden (was übrigens natürlich immer nur an den Büchern liegt, nicht an dem fehlenden Engagement der ins Auge gefassten Leser), man mäkelt herum, dass keine Beschäftigungseffekte erzielt werden, man mäkelt, dass niemand die Ergebnisse kennt (hier empfiehlt sich übrigens zu erinnern: „Niemand ist mein Name“[vii]). Erst Peter und Pöhler gehen 2009 über dieses Gejammere hinaus und fordern einen „arbeitspolitischen Kommunikationsraum“[viii] in dem gesellschaftliche Diskurse neue Orientierungen gewinnen können.

Doch dieser Gedanke ist unter Umsetzungsgesichtspunkten noch zu kurz. Der neue  „Kommunikationsraum“ muss arbeits-, forschungs- und wirtschaftspolitische orientierte Teilsysteme haben. Dabei muss das lineare „Produktionskonzept“ aufgegeben werden. Diese lineare Umsetzungskette zwischen den Teilsystemen ist inzwischen anders geworden.  Viele der früher als „Empfänger“ betrachteten Organisationen betreiben eigene Forschung und produzieren umsetzungsfähige Ergebnisse (vgl. die Projektförderung der Hans-Böckler-Stiftung http://boeckler.de/44449.htm; die Publikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung http://fes.de/sets/s_pub.htm oder die Darstellung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits­medizin http://www.baua.de/de/Forschung/Forschung.html ). Es haben sich immer mehr (gewerbliche) Beratungsorga­nisationen gebildet, die im Graubereich zwischen Anwendungsforschung und Beratung arbeiten. Die Forschungsinstitutionen der Sozialpartner nehmen eine eigenständigere Rolle ein. Die früher vereinzelten Technologieberatungsstellen haben ein Netzwerk gebildet[ix]. Zur Lösung kann ein „dialogisches“ Konzept der „Wertschöpfungspartnerschaften“ beitragen, wie es vor ca. 8 Jahren im Programm „Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“ diskutiert wurde und heute in der digitalen Wirtschaft angewandt wird.

Die „klassische“ Vorstellung, Wertschöpfung in der Umsetzung vollziehe sich allein in der Anwendung von Arbeits­forschungsergebnissen aus der BMBF-Projektförderung, ist in dieser absoluten Form nicht mehr halt­bar. Es gibt eine Verschiebung der Forschung-Abnehmer-Beziehung in Richtung Partner­schaft und "Co-Produktion" auch ausserhalb der eigentlich geförderten Vorhaben. Welche Strukturen, Konzepte und Instrumente hier notwendig sind, ist aber heute noch weitgehend unklar. Bei der Weiterentwicklung des Gedankens der Koproduktion sind neben den unterschiedlichen „Unternehmenskulturen“ (man sollte die „Alles-mein“-Kultur von Organisationen nicht unterschätzen) auch die unterschiedlichen „Innovations­ge­schwindig­keiten der Teilsysteme" zu berücksichtigen. Ein Forschungsprojekt braucht von der Konzep­tionierung einer Idee über den schwierigen Bewilligungsvorgang bis zur Gewinnung von Zwischen­ergebnissen mindestens drei Jahre, und dabei ist nur der Bewilligungs­vorgang zu be­schleunigen. Betriebe benötigen ebenfalls 2 bis 3 Jahre, bevor die Umsetzung eines häufig nur vorläufigen Forschungsergebnisses durchgeführt worden ist - nur die Presse­mit­teilung ist schneller. Erstaunlicherweise kann die akademische Ausbildung – soweit es nicht um formale Änderungen geht – am schnellstens reagieren; denn die Lehrenden sind am schnellsten im Stande Forschungsergebnisse in ihre Veranstaltungen einzubinden. Kurz es geht nicht allein um die Bestimmung der Akteure im System, um deren „Unternehmens­kulturen“ sondern auch um Innovationsgeschwindigkeiten.

Umsetzung von Ergebnissen ist immer von historischen Umständen abhängig. Es würde sich beim Aufschwung der Arbeitsforschung lohnen, neue Konzepte anzudenken, und nicht in die alten Sackgassen hineinlaufen.

 

[i]Vermerk von Kasiske und Skarpelis „Vorlage für die Umsetzungskommission beim Projektträger“ vom 27.9.1976

[ii] INFAS, 1992 nach Ernst, Büntgen, Pornschlegel, Westfal: Zukunft von Arbeit in logistischen Systemen, Logbuch Verlag 1994

[iii] (http://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/StartAction.do; (http://pt-ad.pt-dlr.de/index.php)

[iv] Bach, Leisten und Weinert: Transferbar- Transfermethoden im präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz, Eigenverlag, Aachen, o.J.

[v] Im Rahmen der InnoRegio-Begleitforschung war dies – wenn auch nicht unumstritten – etwas anders. Hier gingen Eickelpasch und Hornschild (Das BMBF Förderprogramm InnoRegio – Ergebnisse der Begleitforschung, Eigenverlag BMBF, Berlin 2005) von theoretisch und empirisch belegbaren Zusammenhängen zwischen Vernetzung und Innovationsfähigkeit aus, die durchaus ein Umsetzungskonzept bilden können.

[vi] Helfert: Forschungs-, aber kein Realisierungsprogramm“ WSI-Mitteilungen, Nr. 12, S. 472 ff, 1974. nach Kasiske und Skarpelis

[vii] Homer: Odyssee nach Schadewaldt, 1964, S.118

[viii] Peter, Pöhler: Umsetzungskonzepte im Humanisierungsprogramm – und was man daraus für heute lernen könnte. Z.Arb.Wiss, Vol. 63, S. 106, 2009

[ix] http://www.tbs-netz.de/

G. Ernst

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