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Kolumne Gerd Ernst

Arbeitswissenschaft ist ein schwieriges Geschäft, mit schwierigen Partnern und hohen Anforderungen an die Interdisziplinarität. Gute 1200 Seiten brauchen Schlick, Bruder und Luczak, um „Arbeitswissenschaft“ zu beschreiben. Davon sind knappe 90 Seiten den begrifflichen Klärungen gewidmet, unter anderem der Frage der Verknüpfung von Fachdisziplinen mit den Betrachtungsebenen der Arbeitswissenschaft. Wenn ich über die Frage „Kann man Dienstleistungen planen?“ nachdenken muss, habe ich manchmal das Gefühl, die Autoren hätten sich die Arbeit sparen können.

Also: „Kann man Dienstleistungen planen?“ Eigentlich eine dumme Frage. Denn schon 1996 stellte Rohit Ramaswamy das „Design and Management of Service Processes“ vor, 1998 erschien der DIN-Fachbericht zum „Service Engineering“, in dem grundlegende Vorgehensweisen, Modellierungsansätze und Werkzeuge für das systematische Planen von Dienstleistungen sowie entsprechende Qualifizierungsmethoden beschrieben wurden. 2003 veröffentlichten dann Bullinger und Scheer den grundlegenden Reader zum Service Engineering. Damals waren zumindest die Fachdisziplinen, die sich mit Arbeitswissenschaft befassen, beteiligt. Doch heute treiben (Wirtschafts)informatiker und Betriebswirte das Thema voran, und für sie ist die systematische Entwicklung von Dienstleistungen kein Problem. Sie modellieren Dienstleistungen, sie simulieren Dienstleistungen, sie testen Dienstleistungen und haben sogar Labs entwickelt, um Dienstleistungen zu gestalten.

Warum behaupten also manche Wissenschaftler, man könne Dienstleistungen nicht planen?

Eine erste Annnäherung: Erinnern wir uns an die Arbeit von Ramaswamy. Er hat keine „Services“ entwickelt, sondern er hat Dienstleistungsprozesse entwickelt und den Teil der Realisierung des Designs hat er ohne Arbeitsgestaltung, nur mit Performance Measurement geplant. In der Sprache von Thomas und Nüttgens ist Ramaswamy die Modellierung von Dienstleistungen angegangen. Heute geht es um Ressourcenmodelle, Prozessmodelle und Produktmodelle. Hier bestehen starke Ähnlichkeiten zu den theoretischen Konzeptionen des Computergestützten Konstruierens (CAD) aus der Welt der materiellen Konstruktion. Eine Antwort wäre also: ja, ich kann Prozesse planen, aber wie Planung und Realisierung übereinstimmen, das bleibt unklar.

Eine zweite Frage: Hat Service Engineering eigentlich etwas mit „Arbeit“ zu tun? Eigentlich müsste die Antwort ein klares „Ja“ sein, aber wenn man sich die Literatur anschaut, ist die Antwort ein klares „NEIN“. Das vorhandene Service Engineering beschränkt sich auf die Modellierung von Prozessen. Die Gestaltung der Arbeit und damit die Realisierung der Prozesse war kein Thema und ist nicht Thema. Eine Ausnahme gibt es, nämlich den ServLab-Ansatz des IAO, dem allerdings nicht das Konzept einer „mathematischen“ Modellierung von Dienstleistungen zu Grunde liegt. Hier ist es möglich – zumindest im „Schutzraum eines Labs“ – Dienstleistungen in „simulierter Arbeit“ zu realisieren.

Eine zweite Annäherung: Arbeitshandeln ist eine bewusste, zielgerichtete Tätigkeit. Das Ziel ist vor dem Handeln ideell gegeben. Das Handeln wird auf das Ziel hin reguliert. Im Arbeitshandeln formen sich Produkt und Persönlichkeit. So knapp die Definition Hackers von vor 40 Jahren. Es ist klar, wohin sich das Service Engineering richtet, auf das engere Arbeitziel und auf die Regulation. Allerdings hat das Service Engineering nicht aus der Arbeitsgestaltung in der Produktion gelernt. Zunächst ist die geplante Zielsetzung sehr eng, ein Arbeitender hat auch persönliche Ziele. Das zweite ist die Regulation der Tätigkeit, die mit der Widerständigkeit des Arbeitsobjektes und –prozesses zusammenhängt. Wie waren Fließfertigungen in den 60er Jahren durchgeplant und trotzdem klappte es nicht! Wie muss das erst heute in der Arbeit an und mit Menschen sein. Es ist ja nicht nur die Widerständigkeit des Materials, sondern wie Böhle es formuliert, müssen sich die Beteiligten ja erst einmal über die GEMEINSAME Zielsetzung des konkreten Arbeitshandels in Bezug auf die Dienstleistung klar werden.

Eine Folgerung: Dienstleistungsprozesse sind planbar, modellierbar, gestaltbar, erlernbar. Doch die Realisierung der Dienstleistungen erfordert mehr als einiger Referenzmodelle. Die durch Ingenieur- und Informationswissenschaft sowie Betriebswirtschaftslehre entwickelten Ansätze müssen in die Konzepte der Arbeitswissenschaft, insbesondere ihre sozialwissenschaftlichen Teile, integriert werden, um Fortschritte hinsichtlich der Produktivität, der Persönlichkeitsentwicklung des Arbeitenden und des Nutzens für den Kunden zu erzielen. Es wäre ganz sinnvoll, wenn es um Arbeit geht, interdisziplinär zu denken und auf andere Disziplinen zu schauen, wie es das Konzept der Arbeitswissenschaft fordert.

G. Ernst
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