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Kolumne Gerd Ernst

Der Anlass der Debatte mit den beiden Frauen war eigentlich nichtig. Eine der Gesprächspartnerinnen kam aus dem Politikgeschäft, eine aus dem Wissenschaftsmanagement. In einem gemeinsamen Arbeitspapier hatte ich geschrieben. “In diesem „Kommunikationsraum Arbeit“ muss in kollaborativen Strukturen Wertschöpfung betrieben werden“. Die Frau aus dem Politikgeschäft sagte, das geht nicht, „Kollaboration“ geht im Deutschen gar nicht. Die andere aus dem Wissenschaftsmanagement meinte, das sei Standard heute. Die negative Konnotation der deutschen politischen Sprache sei in der internationalen Wissenschaftssprache nicht vorhanden. Nach gut dachte ich und fragte eine australische Bekannte (Mitte 30 in Canberra geboren; seit 14 Jahren in Deutschland). Die verstand die Aufregung nicht. „to collaborate“ ist das richtige englische Wort für die Zusammenarbeit zwischen zwei Menschen. Für die Probleme der Deutschen sei die englische Sprache nicht verantwortlich. Und dann kam das Desaster; denn ich erwähnte, dass es im Deutschen auch die Bezeichnung „Mensch Roboter Kollaboration“ gäbe. Meine Gesprächspartnerin wurde wütend. Sie benutze Maschinen, sie arbeite mit Menschen zusammen, nicht mit Maschinen!!

Was habe ich also gemacht, natürlich im Netz gesucht (nicht „gegoogelt“, ich benutze eine diskrete Suchmaschine, auch wenn meine Mail von dem großen Konzern abhängig ist) und bin natürlich fündig geworden. Zunächst zum politischen Teil. Der Begriff „Mensch-Roboter-Kollaboration“ wird nicht nur in der Wissenschaft (ASER, DFKI, IPA) häufig genutzt, sondern auch der VDMA, KUKA, BMW, Siemens und das DIN nutzen ihn. Es gibt entsprechende geförderte Standardisierungsprojekte. Die negativen deutschen Konnotationen werden zwar manchmal erwähnt, finden aber ansonsten keine Berücksichtigung. Was verstehen diese Institutionen nun unter “Mensch-Roboter-Kollaboration“? Hier der VDMA: „Die Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Menschen Robotern an gemeinsamen Arbeitsplätzen ohne trennende Schutzeinrichtungen erschließt neue Möglichkeiten und Konzepte in der Industrie und Produktion. Die Normen- und Rechtslage erlaubt die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) in vorgegebenen Grenzen.... Unter dem Begriff „Kollaboration“ (lat. con- = „mit-“, laborare = „arbeiten“) wird in der Robotik die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter verstanden. Diese Zusammenarbeit beschränkt sich auf einen genau definierten gemeinsamen Arbeitsbereich.“ Abgesehen von den holperigen Lateinkenntnissen geht es also klipp und klar um „Zusammenarbeit“, nicht um „Interaktion“ und auch nicht um „Nutzung“. Da kann ich die Aufregung meiner australischen Gesprächspartnerin schon verstehen: Maschinen werden hier zu gleichberechtigten Partnern von Menschen erhoben. Es geht hier nicht mehr um sicherheitstechnische oder arbeitsgestalterische Fragen, sondern um die Frage, ob Menschen sich als gleichberechtigt, vielleicht sogar als untergeordnet gegenüber Maschinen definieren.

Das dies eine drängende Frage ist, die einer breiten gesellschaftlichen Diskussion bedarf – es geht ja nicht nur um ein paar Roboter in der Industrie – macht die Untersuchung vom Gottlieb-Duttweiler-Institut zur „Zukunft der vernetzten Gesellschaft“ deutlich. Frick und Höchli sehen zwei Konfliktfelder der Zukunft. Zum einen die Sicherheit der Netze und kritischen Infrastrukturen im Widerspruch zur Freiheit und als zweites die Roboterisierung. Sie stellen Fragen wie: „Wie organisieren wir das Zusammenspiel zwischen Roboter und Mensch? (Hervorhebung von G.E.) Wie weit lassen wir zu, dass sie für uns entscheiden?“

Man sieht, das GDI geht äusserst sensibel mit der Beziehung zwischen Robotern und Menschen um. Es täte uns allen gut, bevor wir über „Mensch-Roboter-Kollaboration" reden und das Ganze auf ein paar Sicherheitsprobleme reduzieren, uns einige Gedanken zu Grundfragen der Roboterisierung zu machen.

G.Ernst
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