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2° /2050: Die gefährdete ökologische Nische der Menschheit

Die menschliche Spezies lebt, erdgeschichtlich betrachtet, bisher in einem sehr spezifischen Ökosystem mit folgenden wesentlichen Merkmalen

  • ein schmales Band der mittleren Durchschnittstemperaturen von 11-18 °C
  • eine damit kompatible Treibhausgaskonzentration von ca. 280 ppm
  • sich selbst regulierende Naturräume, die Biosphäre des Planeten
  • der Mensch als Teil der Biosphäre bleibt weitgehend in den Grenzen einer stabilen Selbstregulation der Biosphäre

Diese Systembedingungen und die sie tragenden Prozesse waren in der Entwicklungszeit der Menschheit über lange Zeiträume gegeben. Sie umfassen nicht nur relativ eng begrenzte Temperaturschwankungen, sondern auch die damit verbundenen weiteren Systemzustände wie z.B. Wasserversorgung, biologische Vielfalt und relative Eigenständigkeit biologischer Systeme, Sauerstoffversorgung durch Wälder und andere Biomasse

Die damit verbundene Selbstregulierungsfähigkeit der planetaren Systeme ist inzwischen durch menschlichen Einfluss hochgradig gefährdet.

  • Durch die Auswirkungen der bereits wesentlich erhöhten und bisher wenig gebremsten Zunahme der THG (Treibhausgas) Konzentration
  • Durch die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Biosphäre des Planeten

Scan0014Erderwärmung

Die THG-Konzentration übersteigt bereits 400 ppm, ein Wert, der nur in vor-menschlichen Erdzeitaltern bestanden hat. Eine entsprechende Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf dem Planeten um etwa 0,6 °C ist somit nicht mehr zu verhindern, selbst dann nicht, wenn das jetzt erreichten Niveau nicht überschritten würde. Die Auswirkungen dieser Veränderungen lassen sich näherungsweise aus erdgeschichtlichen Daten ableiten.

Während der Epoche des Eemian vor 125.000 Jahren lag die C02 Konzentration mit 280 ppm etwa auf vorindustriellem Niveau. Die globale Durchschnittstemperatur war ein bis 2 Grad C höher als die vorindustrielle, der Meeresspiegel lag 6-9 m höher. Im Pliocene, vor 3 Millionen Jahren, lag die C02 Konzentration auf heutigem Niveau bei 400 ppm, die
globale Mitteltemperatur war 2-3 Grad C höher als das vorindustrielle Niveau und der Meeresspiegel lag zwischen 10 und 20 m höher.

Der heutige Anstieg der Treibhausgaskonzentration vollzieht sich wesentlich schneller als in jeder erdgeschichtlichen Epoche vorher. Damit werden nicht nur andere Prozesse beschleunigt, vor positive Rückkoppelungen, die zu Tipping points führen (Gletscherschmelze, Süßwasserverlust, tauender Permafrost und verstärkte Methangasemissionen z.B.) Es sind auch Überraschungsmomente möglich wie z.B. abrupte Veränderungen globaler Meeresströmungen mit bisher unbekannten Auswirkungen auf das Wetter.

Die Beschlüsse von Paris reichen nicht aus. Auch wenn alle Beschlüsse vollständig verwirklicht würden, stiege die Erderwärmung um 3 Grad C an. Damit würden Grenzen überschritten und Tipping Points ausgelöst, die zu einer vom Menschen nicht mehr zu beeinflussenden fortschreitenden Erwärmung und die Menschheit bedrohenden Veränderungen des Globus führen würden. Das 2 Grad Ziel ist insofern ein absolutes RISIKOMASS.

Bei einem Überschreiten der 1,5 ° Marke und Einhaltung der 2 Grad „roten Linie“ bis 2050 treten Veränderungen ein, deren Folgen katastrophal sind.

  • Der heiße Sommer 2003 in Europa wird dann die Norm sein. Hitzephase werden dann Saharaqualität haben. (dies tritt schon ab 2040 vermehrt auf)
  • Es wird viele Todesfälle durch Hitze geben;(ab 41° C bricht der menschliche Organismus zusammen)
  • Wälder in Europa werden an Hitzestress absterben und vermehrt CO2 emittieren;
  • Die Mittelmeerregionen werden keine Urlaubsregionen mehr sein. (Spezialgutachten)
  • Küstenregionen sind zunehmend von steigenden Meeresspiegeln in Verbindung mit Stürmen und Hochfluten gefährdet.
  • Am Ende der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel um einen Meter in 20 Jahren. Dies wird alle Küstenstädte nahezu unbewohnbar machen. Die halbe Menschheit wird in der zweiten Hälfte des 21.Jhd umziehen müssen „auf höher gelegenes Land“.
  • Der indische Subkontinent wird ums Wasser und damit ums Überleben kämpfen, weil der Zufluss aus dem Himalaya immer geringer wird. Außerdem hängt auch China an dieser Wasserquelle. Die Ernährungssituation beider Länder wird dramatisch unter Druck kommen. Zugleich trocknen die Kornkammern des mittleren Westens der USA aus.

Parallel zur Erwärmung werden immer mehr Naturräume zerstört. Wenn 2°C Erwärmung 2050 erreicht sind, wird mehr als ein Drittel aller lebenden Arten ausgelöscht sein. Das Artensterben auf dem Planeten nimmt dramatische Formen und Auswirkungen an.

Der anthropogene Klimawandel verstärkt das Artensterben noch zusätzlich und der Verlust an Biosphäre verstärkt die CO2 Konzentration und damit die Erderwärmung. Zu große Hitze lässt Bäume von Kohlenstoff Senken zu Kohlenstoffemittenten werden. Es wird immer deutlicher, wie eng die Biosphäre mit der Geosphäre verknüpft ist. Ohne Artenvielfalt funktionieren die Ökosysteme der Erde nicht. Auf einem intakten Ökosystem basiert aber unsere Ernährung und unsere Gesundheit.

Fazit: 2050 und die Grenze von 2°C Erwärmung setzen Ziel und Rahmen für die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik. Dies gilt auch, wenn diese Grenze überschritten wird. Mit dem Überschreiten dieser Linie wird es zwar nicht sofort zu ökologischen Katastrophen kommen. Die Risiken für Gesellschaft und Wirtschaft werden aber steigen und zunehmend unkalkulierbarer werden. Die Menschheit bewegt sich dann in den Bereich der „unknown unknowns“ hinein, Prozesse, von denen wir nicht wissen, daß sie überhaupt existieren. Das Schadenspotential dieser unbekannten Unbekannten kann sehr groß werden.

Damit sind nicht alle Probleme gelöst. Der Eingriff des Menschen in die Ökosysteme hat auch weitere Bereiche mit Katastrophenpotential verändert.

Die grosse Beschleunigung

Die Begrenzung der Klimaerwärmung reicht nicht zur Erhaltung der „ökologischen Nische“ der Menschheit; weitere Aufgaben sind zeitgleich zu lösen.

  • Bewältigung des Entstehens und der schnellen Ausbreitung von Krankheiten;
  • Schutz der Böden vor Degradation;
  • Übernutzung oder Verlust zur Verfügung stehender Ressourcen (Süßwasser, Böden, Phosphor, Sand, Überfischung)
  • Beseitigung von Plastikabfällen;
  • Aufforstung und Renaturierung großer Landflächen

Die Veränderungen des Klimas und der Biosphäre durch menschliche Eingriffe führen auch zu neuen und schwer zu bewältigenden Gesundheitsgefahren für den Menschen. Gefährdungen gehen nicht nur von Extremwetter Ereignissen, sondern ebenso von Infektionskrankheiten durch alte und neue bakterielle und virale Erreger aus.“ Unsere medizinische Infrastruktur schützt uns nicht davor, daß Erreger uns infizieren können. Sie hilft nur, Epedemien effizienter einzudämmen. … Aber wir Menschen werden eben immer mehr, wir sind immer mobiler und Erreger haben es dadurch leichter, sich unter uns zu verbreiten. Wir beanspruchen immer mehr Platz, roden Wälder, dringen in neue Gegenden vor. Dadurch gelangen wir in Kontakt mit Tieren, die Erreger tragen, die unser Immunsystem noch gar nicht kennt.“ (Lit. 2) Ein Virus, welches z.Z. auf ein Verbreitungspotential von über 7 Milliarden Wirtsorganismen zurückgreifen kann, läßt sich nicht ausrotten.Es entstehen nicht nur neue Gefahren durch neuartige Viren, durch die hemmungslose Verwendung von Antibiotika entstehen auch immer mehr multiresistente Keime . Alte Krnkheiten leben neu auf.

Literaturquellen

Angesichts der Vielzahl von Berichten, Gutachten und wissenschaftlichen Beiträgen zum Klimawandel und seinen Folgen, konnte hier nur eine begrenzte Auswahl verwendet werden.

  • IPCC, 2018: Summary for Policymakers. In: Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, H.-O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P.R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J.B.R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M.I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, and T. Waterfield (eds.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, 32 pp
  • United Nations Environment Programme (2020). Emissions Gap Report 2020. Nairobi.

https://www.unep.org/emissions-gap-report-202

  • USGCRP, 2017: Climate Science Special Report: Fourth National Climate Assessment, Volume I [Wuebbles, D.J., D.W. Fahey, K.A. Hibbard, D.J. Dokken, B.C. Stewart, and T.K. Maycock (eds.)]. U.S. Global Change Research Program, Washington, DC, USA, 470 pp., doi: 10.7930/J0J964J6
  • A degree by degree explanation of what will happen when the earth warms; in: Global warming our future 26 (2021)

(http://globalwarming.berrens.nl/globalwarming.htm)

  • Chi Xu et.al.; Future oft he human climate niche; PNAS 2020

www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1910114117

  • Trajectories oft he Rarth System in the Anthropocene, PNAS 2018

https://www.pnas.org/content/pnas/early/2018/07/31/1810141115.full.pdf

  •  The Lancet Countdown on health and climate change

www.thelancet.com Vol 392 December 8, 2018

(Lit 2) Geowissen Nr. 16/2021, S. 82 

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