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Gewerkschaftliche Urgesteine – aktueller denn je!

Im aktuellen Hans-Böckler-Magazin „Mitbestimmung“ berührte mich der Artikel zu Otto Brenner, der unter der Rubrik „Fundstück“ zu lesen ist (siehe Link zum PDF, S. 61/62). Ich war gerade mal vor einem oder zwei Jahren der IG Metall beigetreten, Jugendvertreter bei Boley & Leinen in Esslingen, als ich am 15. April 1972 im Autoradio die Nachricht vom Tode vom Otto Brenner vernahm. Seit 1956 hat er die IG Metall geführt, unter ihm und dem Baden-Württembergischen Bezirksleiter Willy Bleicher wurde etliche Streiks durchgeführt. Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater, beschäftigt bei Junkers in Wernau, 1963 am zweiwöchigen Arbeitskampf in der Metallindustrie teilnahm und gestreikt und sogar bei einer Kundgebung in Stuttgart teilgenommen hat.

Otto Brenner, sein Nachfolger Eugen Loderer wie auch Willi Bleicher waren Urgesteine der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung – Kriegsgeneration, eingesperrt in Gefängnissen, KZ’s sind sie zurückgekommen mit der Losung „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“. Willi Bleichers Leitspruch, in vielen Versammlungen und Gesprächen insbesondere mit der Gewerkschaftsjugend von ihm wiedergegeben, lautete: „Du sollst Dich nie vor einem lebenden Menschen bücken“.

Leider nahezu vergessen ist der unter der Leitung von Otto Brenner 1972 stattgefundene IG Metall Kongress „Aufgabe Zukunft: Qualität des Lebens“ in Oberhausen, ein wichtiges Zentrum der Schwerindustrie. Damit setzte sich frühzeitig die IG Metall für strukturelle Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten mittels einer umweltorientierten und umweltschonenden Produktion ein. Sie besetzte damit ein arbeits- und lebensweltliches Politikfeld, das den Zusammenhang von Produktionsweise und Lebensbedingungen thematisierte und in den Blick gewerkschaftlicher Politik nahm.Otto Brenner verstand die Gewerkschaften als gesellschaftsverändernde Kraft, nach seinem Dafürhalten üben die Gewerkschaften auch ein gesellschaftspolitisches Mandat aus. Der Begriff der "Wirtschaftsdemokratie" war für ihn kein Fremdwort und auch zur  Atombewaffung hatte er eine klar ablehnende Haltung. Die Notstandsgesetzgebung lehnte er freiweg ab. Gegenmacht und Ordnungsmacht waren keine Gegensätze, sondern bedingten sich.

„Die visionäre Tagung „Aufgabe Zukunft: Qualität des Lebens“ wird Otto Brenners frühes Vermächtnis. Auf Einladung der IG Metall kommen vom 12. bis 14. April 1972 mehr als 1.300 Gäste aus Politik, Gewerkschaften und vor allem aus der Wissenschaft nach Oberhausen. Bereits in den 1960er-Jahren hat Brenner es verstanden, die gewerkschaftspolitischen Herausforderungen des Informationszeitalters auf drei großen Tagungen zum Thema Automatisierung zu behandeln. Die Konferenz 1972 geht darüber hinaus.

Wenige Wochen zuvor wird die erste Veröffentlichung des Club of Rome zu den „Grenzen des Wachstums“ vorgestellt. Auf Einladung der IG Metall diskutiert man über die Verbindung von Produktionsbedingungen, industrieller Produktion an sich und den menschlichen Bedürfnissen und Bedingungen für ein erfülltes Leben.

Brenner selbst ist im Verlauf des Frühjahrs 1972 an einem Lungenleiden erkrankt. Trotz eines schweren Krankheitsverlaufs bereitet er im Sanatorium in Bad Nauheim ein Grundsatzreferat zu „Perspektiven der deutschen Mitbestimmung“ vor. Bei Eröffnung der Tagung am 11. April kann es nur verlesen werden.“ (Quelle: https://www.otto-brenner-stiftung.de/50-jahre-obs/internationaler-kongress-1972/)

Auf einer Festveranstaltung der Otto-Brenner-Stiftung zum 50jährigen Jubiläum dieser wegweisenden wie damals einmaligen Konferenz wurde laut Veranstalter auf folgende Fragen eingegangen:

  • „Hat sich die IG Metall 1972 durch „Oberhausen“ von Umverteilungsfragen abgewendet?
  • Was sagt die damalige Zukunftsaufgabe „Lebensqualität“ heute den Gewerkschaften?
  • Lohnt der Blick zurück – angesichts heutiger Herausforderungen zwischen Klima- und Corona-Krise sowie dem aktiven Krieg in Europa?“

Quelle: https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/01_Die_Stiftung/05_50_Jahre/02_Oberhausen/2022_04_25_OBS_Einladung_Lebensqualitaet.pdf

Das Wirken von Otto Brenner wird heute mit der Otto-Brenner-Stiftung bestens gewürdigt. 1972 gegründet, gehört sie laut „Mitbestimmung“ zu den profiliertesten Stiftungen in der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Ein Blick auf ihre Homepage lohnt sich.

Link zu „Mitbestimmung“:

https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008491

file:///C:/Users/User/Downloads/p_mb_6_2022-1.pdf

Link zur Otto-Brenner-Stiftung

https://www.otto-brenner-stiftung.de/

https://www.otto-brenner-stiftung.de/50-jahre-obs/internationaler-kongress-1972/

https://jacobin.de/artikel/otto-brenner-der-kampferische-gewerkschaftsfuhrer-igmetall-dgb-wirtschaftsdemokratie-demokratischer-sozialismus/

zu Willi Bleicher:

https://stuttgart.dgb.de/++co++2b82f5d0-de56-11e6-8f73-525400e5a74a