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Günter Neubauer

20.02.2016

Zusammenwirken von Arbeitsforschung und Arbeitsrecht bei der menschengerechten Gestaltung der Arbeit

Je stärker Privatisierung und Ökonomisierung die Gestaltung der Arbeits-und Lebenswelt bestimmen,desto wichtiger wird die arbeitswissenschaftliche Theorie und Praxis für eine menschengerechte Gestaltung.

Die Zeitschrift für Arbeitswissenschaft (04 – 2015) hat das Verdienst ,in einem umfassenden Schwerpunktheft die technischen (Digitalisierung) und sozialökonomischen (globaleUnternehmensorganisation 2015) Herausforderungen für die arbeitswissenschaftliche Theorie, Lehre und Praxis herauszuarbeiten:

ñ Paul Oehlke richtet den Appell einer “neuen Humanisierungsoffensive” an die Politik (“Arbeits-und innovationspolitische Herausforderungen für staatliche Förderaktivitäten im neuen Digitalisierungsschub”),

ñ Jörg Sydow/Markus Helfen arbeiten an der Weiterentwicklung der “nach wie vor überwiegend individuumzentrierten Arbeitswissenschaft” (“Arbei tin Netzwerkorganisationen – Wertschaffung durch Verzicht auf Wertschöpfung?”),

ñ Klaus J.Zink verweist auf “die Auseinandersetzung mit völlig neuen Geschäftsmodellen ” und auf das “Problem des know-how-Transfers in die Praxis” (“Digitalisierung der Arbeit als arbeitswissenschaftliche Herausforderung :einZwischenruf”).

Für diese notwendige Integration arbeitswissenschaftlicher Theorie und Praxis im Interesse gelingender menschengerechter Arbeit weist der Beitrag von Joachim Heilmann ,Irene Raehlmann und Manfred Schweres dem Arbeitsrecht eine wichtige Rolle zu (“Arbeitswissenschaft und Arbeitsrecht – Gehalt und Funktion arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse im Arbeitsrecht”).

Sie arbeiten die Bedeutung der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung beispielhaft am Arbeitsschutzgesetz von 1996 aus, das auf der Rahmenrichtlinie der EWG von 1989 aufbaut. Das Arbeitsrecht gibt den normativen Rahmen,um arbeitswissenschaftlich gesicherte Ergebnisse in der Arbeitswelt umzusetzen; insbesondere werden die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte gestärkt.

Die AutorInnen betonen aber auch die vorhandenen Schwachstellen in der Normgesetzgebung,die letztlich nur starke und informierte Interessenvertreter menschengerechter Arbeit beheben können:

  • Unbestimmte Rechtsbegriffe,die Arbeitgeber zu ihren Gunsten auslegen,
  • Arbeitsgerichte, oft ohne arbeitswissenschaftlichen Sachverstand.

Ob diese oft mühsam ausgehandelten bzw.erkämpften Sozial-und Arbeitsrechte durch die im Geheimen verhandelten Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TISA erhalten bleiben oder abgebaut werden, dazu eröffnete das gewerkschaftliche Debattenmagazin des DGB “Gegenblende” im Herbst 2015 eine Diskussion.

Ulrich Grillo,Präsident des BDI,wirbt hier “Für ein starkes TTIP :klare Regeln,echte Chancen” (28.September,2015).Gegenüber Kritikern,die Gefahren durchTTIP für die Sozialstandards befürchten, verneint Grillo diese und beteuert, “dass die USA,ebenso wie die EU-Mitglieder,die ILO-Erklärungvon1998 über die`grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit´unterzeichnet haben”.

Auch US-Präsident Obama hatte vor Unterzeichnung (Oktober 2015) des Transpazifischen Freihandelsabkommens versprochen,dass dieses Abkommen “neue Märkte für amerikanische Produkte öffnen und zugleich hohe Standards für den Schutz von Arbeitern und für die Bewahrung der Umwelt setzen wird” (“DasTranspazifische Freihandelsabkommen(TPP) – Augenwischerei bei den Arbeitsrechten”,10. Dezember,2015,WernerRügemer).

Aus dem nun vorliegenden Text desTPP zieht Rügemer für die noch anstehenden ,aber geheimgehaltenen Vertragsentwürfe CETA,TTIP und TISA Rückschlüsse in bezug auf die Verbesserung oder Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse:

  • Im Vertragstext TPP werden lediglich die “ILO-Erklärung” von1998 (sieheGrillo zu TTIP),nicht aber die acht ILO-Kernarbeitsnormen und insbesondere nicht deren verbindlichen Ausführungsbestimmungen herangezogen.
  • Von den acht ILO-Kernarbeitsnormen haben die USA nur zwei ratifiziert; nicht dabei sind “das Recht auf Vereinigungsfreiheit (Koalitionsfreiheit) der Beschäftigten in unabhängigen Gewerkschaften, das Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge und die Abschaffung von Zwangs- und Pflichtarbeit.
  • Inder “ILO-Erklärung” von1998 sind auch die177 “technischen” Normen nicht enthalten,dieaber wesentliche Einzelrechte regeln: Recht auf Kündigungsschutz; Recht auf bezahlten Urlaub; Recht auf Kranken-, Arbeitslosigkeits-, Arbeitsunfähigkeits- und Renten-Versicherung; Recht auf Schutz vor Gefahren am Arbeitsplatz; Recht auf Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheit; Recht auf geregelte Arbeitszeiten mit Pausen usw. Die USA haben von den 177 Normen nur 11 ratifiziert, keine der hier genannten.
  • Der längste Teil des TPP-Kapitels zu den Arbeitsrechten ist der “Kooperation” zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber gewidmet: “nirgends ist von einer prinzipiellen Stärkung der Mitbestimmung die Rede”; bei Streitigkeiten sollen “außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren eingesetzt” werden.

Das verabschiedete FreihandelsabkommenTPPzeigt:die neoliberale Handelspolitik hat sich auch von vielen Sozial-und Arbeitsrechten des ILO-Normenwerks verabschiedet. Es bleibt zu hoffen,dass sich Arbeitswissenschaftler,Betriebsräte und Gewerkschaften ihren Reim auf Grillo´s Verheißungen zu TTIP machen und sich gegen die geheimgehaltenen, undemokratischen und mitbestimmungsfeindlichen VertragsentwürfevonCETA,TTIP und TISA wehren.

G. Neubauer, 19.02.16

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