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Kolumne Gerd Ernst

Die Entwicklung neuer Technologien in der Vergangenheit hat am eigentlichen Geschäftsmodell nichts geändert. Die Technologie wurde zur Verbesserung der Leistung eines Autos eingesetzt, sie diente zur Veränderung der Fertigungs- und Arbeitsprozesse usw., aber führte nicht zu einer Veränderung des Geschäftsmodells “Verkauf von Produkten”. Dies trifft zunächst auch für den Einsatz der IuK-Technologie und des Internet zu.

Der Veränderungsdruck ergab sich durch die Anforderungen an den Kapitaleinsatz. Ähnlich wie die menschliche Arbeitskraft sollte auch das Kapital flexibel werden, d.h. nicht zu fest in Investitionen in Sachgüter gebunden sein. Neben neuen Finanzierungskonzepten ergaben sich daraus die Betreibermodelle, aber auch die ÖPP-Modelle im staatlichen Bereich. Diese Modelle reichten von den Speditionen (kein Kauf von LKW, sondern Mieten) bis hin zum Betrieb von Gebäuden (kein Verkauf der Immobilie). Das war die erste Veränderung der Geschäftsmodelle in Richtung einer hybriden Wertschöpfung zu Beginn der 90er Jahre, die noch ohne die heutige Vernetzung funktionierten. Teilweise verbunden mit diesen Ansätzen war der ökologische Slogan “Nutzen statt Besitzen”. Mit den Betreibermodellen kamen den Dienstleistungen neue Bedeutung zu.

Etwas später setzte mit diesen Modellen auch eine Veränderung der Betrachtung des (damals noch so genannten) Verbrauchers ein. Bei den klassischen Dienstleistungen war er schon immer als “Ko-Produzent” notwendig, so entdeckte jetzt insbesondere Google, dass der Kunde bei der Inanspruchnahme der Dienstleistungen Daten produzierte, die einen Wert darstellten. Dieses Modell wurde auch auf die b2b-Beziehungen ausgedehnt und damit entstanden aus der Wertschöpfungskette mit einem Endverbraucher Wertschöpfungssysteme mit Co-Produzenten. Auf diesen Gedanken beruhen heute viele Geschäftsmodelle, bei denen die Dienstleistungen und Produkte gleichberechtigt sind, ja bei denen die Dienstleistungen den eigentlichen Wert darstellen (APP zu Smartphone)

Eine weitere Form der “Plattform-Geschäftsmodelle” entstand dadurch, dass Firmen erkannten, dass nicht der einzelne “Marktstand” interessant war, sondern das Anbieten eines Marktes (“Marktmeister-Rolle”). EBAY war der erste klassische Marktanbieter. Inzwischen gibt es unzählige Plattformen, auf denen Produkte, Dienstleistungen und menschliche Arbeitskraft gehandelt werden. Unabhängig von der Bewertung des Geschehens in den Beziehungen zwischen “Anbieter-Marktbetreiber-Kunde” haben diese Geschäftsmodelle z.Zt. die stärkste Aufmerksamkeit.

Die deutsche Wirtschaft mit ihrem Konzept der “Industrie 4.0” scheint im Geschäftsmodell “Verkaufen von Produkten” stehen zu bleiben. ACATECH bemerkt dazu in dem Memorandum zur „Smart Service Welt“ sehr richtig, dass das Verharren der deutschen Industrie in den „Nischen produktzentrierter Marktführerschaften“ keine Option ist. Denn die Unternehmen die die „Smart Services“ beherrschen werden die Kontrolle über die Wertschöpfungssysteme erlangen.

Die noch unklaren neuen Geschäftsmodelle der Smart Service Welt, verbunden mit den technologischen Entwicklungen, wachsendem internationaler Wettbewerb und neuen Bedingungen beispielsweise auf den Kapitalmärkten, sorgen für wachsende Unsicherheit, sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Beschäftigten. Sie führen zu tief greifenden Veränderungen in den Unternehmensstrukturen und werden begleitet von geänderten Arbeitsformen und -bedingungen. Sie können dazu führen, dass Beschäftigungsverhältnisse „destandardisiert“ werden und sich weiter neue leistungsorientierte Konzepte der indirekten Steuerung durchsetzen. Ob diese Entwicklungen mit den Anforderungen an ein „neues Normalarbeitsverhältnis“ in Einklang zu bringen sind, ist zu prüfen.

G. Ernst
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