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Kolumne Gerd Ernst

Von CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM - https://phil.cdc.gov/Details.aspx?pid=23312Dieses Medium stammt aus der Public Health Image Library (PHIL), mit der Identifikationsnummer #23312 der Centers for Disease Control and Prevention.Hinweis: Nicht alle PHIL-Bilder sind gemeinfrei; überprüfe unbedingt den Urheberrechtsstatus und die Nennung der Autoren und Inhaltsanbieter.Deutsch | English | македонски | slovenščina | +/−Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet: 2019-nCoV-CDC-23312.png:, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86444014Ein Auslöser für meine Überlegungen war ein Gespräch mit einem Beschäftigten aus dem Gesundheitshandwerk, der in einem kleinen „Geschäfts-Handwerksbetrieb“ zusammen mit 4 KollegInnen arbeitet. Zum erstenmal in seinem Berufsleben wurde er damit konfrontiert, dass er in einem Betrieb der kritischen Infrastruktur (Bundesministerium des Innern, : Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITS-Strategie), Eigenverlag, Berlin (2009)) arbeitet. Als er dann weiterdachte, erkannte er, dass auch die VerkäuferInnen in den „normalen“ Läden dazugehören; die LagerarbeiterInnen z.B. in den Lagern von AMAZON; die LKWFahrerInnen u.v.m. Automobilproduktion gehörte in seinen Augen jedenfalls nicht dazu. Und noch etwas fiel ihm auf, die Beschäftigten in den kritischen Infrastrukturen werden meist schlecht bezahlt.

Die Corona-Epidemie wirkt wie ein Brennglas: Es sind die Dienstleistungen und in ihnen die vielen KMU, die in der Krise sind und für die es keine Modelle des Krisenhandelns gibt.

  • Güterverkehr: Versorgungs- und Entsorgungslogistik, Distributionslogistik, Paketdienste
  • Personenverkehr: ÖPNV, Bahn, Flugverkehr inkl. der damit verbundenen Dienstleistungen von Beratung bis IT
  • Gesundheitswirtschaft inkl. des Gesundheitshandwerks
  • Sozialwirtschaft
  • IT-Infrastrukturen und öffentliche IT-Dienstleistungen (die z.T. von privatwirtschaftlich orientierten Unternehmen erbracht werden)
  • Bildungsdienstleistungen aller Stufen: Kita, Schulen, Universitäten
  • Handel (insbesondere kleinere, oft handwerklich organisierte Einzelhändler) inkl. Onlinehandel, der ohne Menschen in den Lagern nicht arbeiten kann

Neben den hier aufgeführten leiden natürlich auch andere Dienstleistungen wie z.B. die Freizeitwirtschaft incl. Wellness: Hotel, Gaststätten, Tourismus, Fitness, Messewirtschaft unter der Krise. Schon ab 2012 wurde das Konzept der Gesellschaftlich Notwendigen Dienstleistungen im Verdi/FES Arbeitskreis „Dienstleistungen“ entwickelt (Leimeister, Jan Marco; Peters, Christoph: Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen - soziale Innovationen denken lernen, WISO Diskurs, Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Friedrich-Ebert-Stiftung (2012); Hilbert, Josef; Bienzeisler, Bernd, Becka, Denise: Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen - Gestalten und Finanzieren, WISO Diskurs November 2013, Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn (2013); Ernst, Gerhard; Skarpelis-Sperk, Sigrid: Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen, in: Schröder, L.; Urban, H.-J. (Hg.): Gute Arbeit Ausgabe 2014, Bund Verlag, S. 338-348 (2013)). Die so definierten Dienstleistungen haben große Überschneidungen zu den kritischen Infrastrukturen. Doch wie die Corona-Krise und die oben zitierten Bemerkungen zeigen, hat sich in der wirtschaftlichen Betrachtung nichts geändert. Die Finanzkrise hat dazu geführt, gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen zu minimieren, zu privatisieren oder ganz einfach abzuschaffen.  Die veränderte Wertschätzung der gesellschaftlich notwendigen Dienstleistungen war verbunden mit der Vorherrschaft des Monetarismus und einem Wandel hin zu einer „Verbetriebswirtschaftlichung“ sowie dem Ende anspruchsvoller Erfolgskontroll- und Planungsinstrumente. Doch auch die Strahlkraft hinsichtlich der Beschäftigung hat sich geändert. Abgesenkte Anfangsbesoldungen, Zeitverträge sind in den letzten Jahren Normalität geworden. Verbunden damit dann auch Fachkräftemangel und Unterbesetzungen. Auch hinsichtlich der Belastungen in zentralen Bereichen der „Öffentlichen Dienstleistungen“ sieht es nicht gut aus. So berichtet der DGB-Index Gute Arbeit (o.J.) von einem Anteil an Erwerbsminderungsrenten bei Sozialpflegerischen, Gesundheits- und Verkehrsberufen von 26 bis 32% (Metallerzeugung und -bearbeitung 22 Prozent). Dieser Absatz ist in großen Teilen ein Zitat meiner Kolumne von 2014. Er zeigt, unsere Anstrengungsbereitschaft und unsere Möglichkeiten, Automobile zu bauen, ist deutlich größer als unsere Gesellschaft gegen eine Krise wie die Corona-Krise zu wappnen. Vielleicht hilft die Krise ja auch, den Beschäftigten in den kritischen Infrastrukturen ein Bewusstsein ihres Wertes und ihrer Arbeit zu geben, und der breiten Öffentlichkeit klarzumachen, dass Wertschätzung mehr ist als Musik auf dem Balkon.

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