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Kolumne Klaus Zühlke-Robinet

Buchbesprechung zu
Reiner Hoffmann, Claudia Bogedan (Hg.): Arbeit der Zukunft. Campus, 2015, 520 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-593-50451-3

Veränderte Wertschöpfungsketten, Industrie 4.0, Smart Service Welt, Crowdsourcing, Werkverträge, psychische Belastungen – das sind nur einige Schlagwörter, die die rasanten Veränderungen in der Arbeit und in der Wirtschaft beschreiben. Die hinter dieses Begriffen liegenden Entwicklungen sind aber nicht nur wirtschaftsgetrieben, sondern resultieren ebenso aus neuen Lebensentwürfen und Konsumstilen, aus neuen Ansprüchen etwa gegenüber der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatheit/-zeit oder aus veränderten Haltungen gegenüber dem „Sinn“ der Arbeit. Insofern sind Überlegungen zur Arbeit der Zukunft bzw. Zukunft der Arbeit durchaus angebracht.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und die Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Claudia Bogedan haben mit diesem Herausgeberwerk eine vorzügliche Plattform für Positionsbestimmungen insbesondere für Gewerkschaften und Wissenschaft geschaffen. Der Band enthält vier Kapitel mit insgesamt 28 Beiträgen. In den jeweiligen Einführungsaufsätzen der beiden Herausgeber bezieht Reiner Hoffmann mit 11 Thesen Position (u. a. „Gute Arbeit ist mitbestimmte Arbeit“, „Gute Arbeit braucht Qualifizierungs- und Entwicklungschancen“) und Claudia Bogedan präsentiert „25 Perspektiven“.

Den Auftakt in Kapitel II mit dem Titel „Welche Einflüsse werden die Arbeit der Zukunft bestimmen“ machen Jutta Allmendinger und Ellen von den Driesch (WZB) mit einem Beitrag zu „Bildung in Deutschland: Elf Mythen – elf Tatsachen“. Hierzu zählen u. a. berufliche und akademische Bildung sind gleichwertig, gegliederte Schulsysteme führen zu höheren Leistungen oder Bildungsarmut ist unvermeidbar. Für Martin Kuhlmann und Michael Schumann (SOFI) steht fest: „Digitalisierung fordert Demokratisierung der Arbeitswelt heraus“. So lautet ihr Beitrag und sie plädieren für eine aktive Einmischung der Gewerkschaften in den Betrieben. Beteiligungsorientierte Arbeits- und Organisationsformen können den Ausgangspunkt bilden, um dem mit Industrie 4.0 verbundenem technologischen Determinismus ein Gegenkonzept entgegen zu stellen. Eine Neujustierung des Verhältnisses von direkter und repräsentativer Interessenvertretung tut Not. Günter Schmid (ehem. WZB) befasst sich mit der Frage, was Europa zur neuen Ordnung der Arbeit beitragen kann. Entgegen aller Unkenrufe ist dafür Europa der „Ort“. Voraussetzung ist der konsequente Ausbau europäischer demokratischer Institutionen für die Aufrechterhaltung arbeits- und sozialrechtlicher hoher Standards. Es werden vier Strategien einer Europäisierung des Arbeitsmarktes gebündelt und beispielhaft erläutert: investive Sozialtransfers, geschützte Flexibilität, Investitionen in Menschen und effiziente Arbeitsmarktregulierung. Weitere Artikel befassen sich etwa mit der Zukunft der Arbeitgeberverbände, Arbeitsmigration, Umwelt und Nachhaltigkeit oder Crowdsourcing.

Kapitel III ist überschrieben mit „Wie wird die Arbeit der Zukunft aussehen? Wie sollte die Zukunft der Arbeit aussehen?“ Auch hier ist das thematische Spektrum der Beiträge weit - hier eine kleine „Kostprobe“. Ulrich Mückenberger (Universität Bremen) befasst sich mit der Frage „Was wäre heute unter „Humanisierung der Arbeit“ zu verstehen?“ Seine Themen dabei sind Humane Arbeitsprodukte und Bürgerrechte im Betrieb oder Optionszeiten/Care-Zeiten. Nicht nur vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werden Care-Zeiten immer wichtiger. Dieses Thema wird im Aufsatz „Zeit für Care: Fürsorgliche Praxis in ‚atmenden Lebensläufen‘“ von Karin Jurczyk (Dt. Jugendinstitut, München) weitergeführt. „Arbeit und Bildung“ (Sabine Pfeiffer, ISF München, Universität Hohenheim), personenbezogene Dienstleistungen (Michaela Evans, Josef Hilbert, IAT Gelsenkirchen) oder „Interaktive Arbeit und die Einbeziehung des Kunden“ (Wolfgang Dunkel, ISF München) markieren ebenfalls einige weitere Themen dieses Kapitels. Gerhard Bosch‘ Beitrag „Einen neue Ordnung der Arbeit: Herausforderungen für die Politik“ skizziert Eckpunkte zu einer „neuen Arbeitsordnung“ wie flexibles Normalarbeitsverhältnis für Frauen und Männer“, „inklusive Tarifordnung“ und „investive Beschäftigungspolitik“. Christina Klenner (Hans-Böckler-Stiftung) und Karin Schulze Bischoff (WSI/Hans-Böckler-Stiftung) plädieren vor dem Hintergrund veränderter Erwerbsverläufe und Lebenslaufpolitik für die Eröffnung vielfältiger Optionen bei gesicherten (Arbeitsmarkt-)Übergängen. Abgerundet wird dieses Kapitel mit weiteren Beiträgen etwa zu innovativer Arbeitszeitpolitik, Neuordnung von Leben und Arbeit oder Ungleichheit und Arbeit im zweiten Maschinenzeitalter.

Der im abschließenden Kapitel „Ausblick“ verfasste Beitrag ist zusammen von allen Mitgliedern des DGB-Bundesvorstandes erstellt worden und lautet „Auf dem Weg zu einer Neuen Ordnung der Arbeit“. Als zentrale Treiber der Veränderungen werden die Individualisierung unserer Gesellschaft, der demografische Wandel, Globalisierung und Europäisierung sowie immer raschere Innovationszyklen und die Digitalisierung unserer Wirtschaft und Arbeitswelt genannt. Damit eng verbunden sind die Herausforderungen einer mehrfach entgrenzten Arbeitswelt in räumlicher, zeitlicher und funktionaler Hinsicht. Laut der Autorinnen und Autoren werden die folgenden vier „Grundmaxime“ die gewerkschaftliche Arbeit (weiterhin) leiten:

  • Gute Arbeit ist gut bezahlte Arbeit, sozial abgesichert und menschengerecht gestaltet.
  • Gute Arbeit braucht gute Bildung, Qualifizierungs- und Entwicklungschancen.
  • Gute Arbeit ist mitbestimmte Arbeit.
  • Gute Arbeit ist tariflich geschützte und gestaltete Arbeit.

Abschließend laden die Autorinnen und Autoren des DGB-Bundesvorstandes zur weiteren Debatte und Diskussion ein. Denn gerade Megatrends wie die Digitalisierung werden auch in Zukunft viele Fragen aufwerfen, für die es heute noch keine abschließenden Antworten gibt.

Mit diesem Band positioniert sich der DGB zum großen gesellschaftlichen Feld der „Arbeit der Zukunft“. Dieser Titel ist laut Reiner Hoffmann (nachzulesen in seinem Einführungsbeitrag) bewusst so gewählt, denn es gibt eine Zukunft der Arbeit – die Arbeit ginge nicht aus und werde auch weiterhin im Lebensmittelpunkt der Menschen stehen -, doch deren Gestaltung sei eine ständige Aufgabe, die einer Reflexion bedürfe. Wenn er jedoch schreibt, dass die Erwerbsarbeit weiterhin in hohem Maße von der industriellen Wertschöpfung abhinge, ist dies sicherlich weiterhin zutreffend in der mittleren Frist. Doch falls das Tempo der Durchdigitalisierung der Wirtschaft, Gesellschaft und der Lebenssphäre weiter so anhält, können sich traditionelle, industriegeprägte Wertschöpfungsketten auflösen und unter Federführung etwa eines digitalen Plattformanbieters neu zusammensetzen (dazu siehe acatech, 2015: Smart Service Welt). Unter diesen Vorzeichen können Automobilbauer zu Zulieferer von digital basierten Mobilitätsanbietern werden, die ihrerseits innerhalb Wertschöpfungskette „Mobilität“ den digitalen Kontrollpunkt besetzen und beherrschen und Kunden zudem die Möglichkeit bieten, ihre Mobilitätswünsche selbst zu orchestrieren. Ob dann noch von „Industrie“ oder von „Dienstleistungen“ gesprochen werden wird, wird sich erst noch zeigen. Die Folgen für Beschäftigte, Gewerkschaften und gewerkschaftliche Interessenvertretung in Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft sind noch recht offen und geben Raum für einen an diesen Band anschließenden weiteren Herausgeberband etwa zur Arbeit der Zukunft in digital vernetzten diversifizierten Wertschöpfungszusammenhängen.

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