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Kreativität älterer Mitarbeiter/-innen durch Ressourcenmanagement aktivieren und erhalten (KreaRe)

Kreativität älterer Mitarbeiter/-innen durch Ressourcenmanagement aktivieren und erhalten (KreaRe)

 

Projektkoordinator:  Prof. Dr. Bernd Kriegesmann (Institut für angewandte Innovationsforschung e.V. - IAI - an der Ruhr-Universität Bochum)
Laufzeit: 01.01.2012 – 30.04.2015

 

1. Problemstellung

Organisationale Kreativität und Innovation sind wichtige Voraussetzungen für Wettbewerbsfähigkeit auf globalisierten Märkten. In technologieorientierten Unternehmen ist auch in Zeiten von „Open Innovation“ Forschung und Entwicklung (FuE) der zentrale Bereich, um kreative Ideen, wichtige Vorleistungen im Innovationsprozess der (Weiter-)Entwicklung von Produkten, Prozessen und begleitenden Dienstleistungen, zu organisieren.

Das Verbundprojekt „KreaRe“fokussiert Auswirkungen des gesellschaftlichen Megatrends „demografischer Wandel“ für Betriebe mit FuE:Denn vor dem Hintergrund von demografischem Wandel und branchenbezogenem Fachkräftemangel ist fraglich, wie Unternehmen Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung und Steigerung ihrer „kreativen Potenziale“ in Forschung und Entwicklung ergreifen können. Zwar geht die Forschung nicht mehr davon aus, dass Kreativität ein exklusives Alleinstellungsmerkmal jüngerer Bevölkerungsgruppen darstellt, jedoch sind die Möglichkeiten einer systematischen Förderung der kreativen Kompetenz älterer Mitarbeiter/-innen in FuE-nahen Tätigkeitsbereichen weitgehend unerforscht.

 

2. Lösungsweg

Ziel des Verbundprojektes ist es, die organisationalen und individuellen Rahmenbedingungen zur Förderung der kreativen Kompetenz älterer Innovationsarbeiter/-innen zu erforschen, aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen abzuleiten und diese pilothaft umzusetzen. Das Institut für angewandte Innovationsforschung (IAI) e.V. an der Ruhr-Universität Bochum und die Kliniken Essen-Mitte (KEM) verfolgen hierzuals Forschungsverbund eine arbeitsteilige Strategie:

  • Arbeitsschwerpunkt des IAI ist die Untersuchung derorganisationalen Ressourcen zur Förderung von kreativen Kompetenzen: Wie verändern sich die Anforderungen an eine kreativitätsfördernde Arbeitsgestaltung über die Lebensspanne? Welche organisationalen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, um eine kreativitätsfördernde Arbeitsgestaltung in FuE-nahen Tätigkeitsbereichen aufrechtzuerhalten?
  • Den Arbeitsschwerpunkt der KEM bildet die Untersuchung derindividuellenRessourcen zur Erhaltung und Förderung der kreativen Leistungsfähigkeit.Hier ist zu klären, welches die gesundheitlichen Bedingungen/Hemmnisse für „gute kreative Arbeit“ sind, welchen spezifischen Belastungen ältere Innovationsarbeiter/-innen unterliegen und wie diese eine ganzheitliche Unterstützung erfahren können.

Theoretische und methodische Konzeption

Dass Alter(n) mit physiologisch-psychologischen Veränderungen einhergeht, ist unbestritten.Auch können diese Veränderungen eine Verminderung spezifischer Leistungsfähigkeiten hervorrufen. Die These jedoch, dass Menschen mit fortschreitendem Alter in erster Linie Leistungsdefizite ausbilden („Defizitmodell des Alters“), welche in unternehmerischen Kontexten schlussendlich nur durch eine „Auffrischung“ des Personals durch junge Nachwuchskräfte ausgeglichen werden kann, darfstark bezweifelt werden. Es stellt sich vielmehr die Frage, inwiefern etwaige Defizite in der allgemeinenLeistungsfähigkeit durch alter(n)sbedingtenGewinn an Lebens- und Praxiserfahrung mindestens ausgeglichen werden können („Kompensationsmodell des Alters“). Auch spricht sich die moderne Alternsforschung sehr eindrücklich für die hohe „Plastizität“ d.h. Formbarkeit und Gestaltbarkeit von physiologischen und psychologischen, aber vor allem sozialen Alterungsmerkmalen aus. Darüber hinaus können das im Erwerbsleben erworbene Wissen und darauf aufbauende Handlungsstrategien helfen, Defizite zum Beispiel in Bezug auf Geschwindigkeit oder Psychomotorik auszugleichen. Selbst Kreativität vermindert sich nicht im höheren Erwachsenenalter und bei komplexen Arbeitstätigkeiten werden die besten Leistungen oft erst im höheren Alter gezeigt.

Angesichts der beruflichen Stärken älterer Arbeitsnehmer ist es erstaunlich, dass im internationalen Vergleich Deutschland eine geringe Repräsentanz der 55jährigen und älteren Arbeitnehmer aufweist. An der mangelnden beruflichen Leistungsfähigkeit dieser Gruppe kann es nicht liegen.

Auf der organisationalen Ebene („Verhältnisebene“) wird zum einen die Rolle älterer Innovationsarbeiter/-innen in Innovationsprozessen untersucht.Rollen und Funktionen von Beschäftigten ändern sich im Verlauf der Erwerbsbiografie und damit auch die älterer Innovationsarbeiter/-innen im Innovationsprozess. Gerade ältere Beschäftigte finden sich durch ihre langjährige Berufserfahrung häufig in koordinierenden und leitenden Funktionen wieder – so ist zu untersuchen, ob und inwieweit leitende Beschäftigte im FuE-Bereich ihrer Rolle als „Promotoren kreativer Innovationsarbeit“ gerecht werden können und wo etwaige Umsetzungshürden hierfür liegen. Doch auch ältere Innovationsarbeiter/-innen, die nach wie vor operativ in den Innovationsprozess eingebunden sind, müssen entsprechend berücksichtigt werden. So gilt es an dieser Stelle zu untersuchen, unter welchen organisationalen Rahmenbedingungen auch in diesem Bereich kreative Arbeit geleistet werden kann bzw. wie, wenn manuelle und physische Fertigkeiten nachlassen, mehr und mehr geistige „Produktivität“ einbezogen werden kann; zu denken ist dabei an die emotionale oder motivationale Unterstützung anderer Menschen, gerade auch jüngerer Kollegen.

Neben der persönlichen Kompetenz spielen hierfür zum Beispiel das Arbeitsklima und die Möglichkeiten der kreativitätsfördernden Arbeitsgestaltung eine Schlüsselrolle.Es ist bekannt, dass identische Arbeitsbedingungen zu unterschiedlichen Wahrnehmungen zwischen den Altersgruppen führen können: Während jüngere Beschäftigtebeispielsweiseals risikoaffiner und lernfähiger gelten, werden diese Eigenschaften älteren Beschäftigten tendenziell eher abgesprochen – die Gründe hierfür liegen jedoch oft in der Arbeitsgestaltung, die kaum Rücksicht auf die Förderung spezifischer Altersgruppen mit ihrenjeweiligen Bedürfnissen nimmt.Kreativer Leistungsbereitschaft wird dort die Basis entzogen, wo den altersspezifischen Handlungsmotivationen und Wünschen in der Arbeitsgestaltung keine Berücksichtigung geschenkt wird.

Auf der individuellen Ebene(„Verhaltensebene“)sollen die Beziehungen zwischen gesundheitlichem Wohlbefinden und kreativer Leistungsfähigkeit untersucht und ältere Innovationsarbeiter/-innen zur aktiven Selbstregulation ihrer Gesundheitsressourcen befähigt werden. Dabei sind zwei Perspektiven zu berücksichtigen:

Soziale Netze (Freunde, Familie), aber auch Lebensstile (Ernährung, Bewegung, Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln, Stressbewältigung) können erhebliche Auswirkungen auf kreativitätsfördernde Faktoren wie emotionale Sicherheit und psychische Widerstandsfähigkeit, Vertrauen und Gelassenheit, Sinnerleben (auch von Arbeit), Motivationslagen, Neuorientierung oder Umgang mit Spannungen in der Karriereentwicklung haben.Aus diesem Grund erforscht das Projekt KreaRe ebenfalls Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung einer Balance zwischen den beruflichen Ansprüchen kreativer Leistungsfähigkeit und den individuellen Lebensentwürfen. Weiterhin ist die gesundheitliche Belastung durch Innovationsarbeit erheblich geprägt von Zeitdruck und Terminvorgaben, welche im ungünstigsten Fall in vitaler Erschöpfung und damit einhergehendem Leistungsabfall münden können. Entsprechend werden präventive Gesundheitsmaßnahmen zum Erhalt der individuellen Arbeitsfähigkeit älterer Innovationsarbeiter/-innen erarbeitet und unterstützend umgesetzt.

 

3. Stand/Ergebnisse

Zusätzlich zu qualitativen Experteninterviews und Datenerhebungen bei den Partnerunternehmen dienen zwei großzahlige schriftliche Querschnittserhebungen dazu, das Themenfeld „demografischer Wandel in Forschung und Entwicklung“ in der Breite einschätzen zu können:ca. 400 in FuE tätige Fach- und Führungskräfte werden zu den Bedingungen und Belastungsfaktoren ihrer „Innovationsarbeit“ befragt. Weitere ca. 300 F&E-Führungskräfte werden zur Einschätzung möglicher Folgen des demografischen Wandels für ihr Unternehmen befragt. Aus dieser Unternehmensbefragung stehen erste tentative deskriptive Ergebnisse zur Verfügung:

Einerseits ist plausibel, dass durch sich verändernde Konsumstrukturen in einer alternden Gesellschaft Innovationschancen durch neue Produkte oder Dienstleistungen entstehen können: Diesem Positiv-Szenario können 21% der FuE-Leiter für ihr Unternehmen zustimmen. 29% sehen „vielleicht“ Innovationschancen durch den demografischen Wandel. Die Hälfte der Befragten verbindet keine zusätzlichen Innovationschancen mit dem absehbaren gesellschaftlichen Wandel.

Andererseits ist unklar, welche Konsequenzen die sich wandelnde organisations-interne Demografie für F&E-orientierte Unternehmen haben wird. Auch hier ist das Meinungsbild im Sample der F&E-Leiter „gespalten“: 50% stufen „die zunehmende Alterung unserer F&E-Belegschaft als ein Risiko für die Innovationskraft des Unternehmens ein“. Entsprechend birgt die schleichende Alterung aus Sicht der anderen Hälfte „kein Risiko“.

Es spricht einiges dafür, dass der demografische Wandel für viele auf kurzfristige Perspektiven konzentrierten Unternehmen (immer) noch ein Zukunftsthema am (personal-)strategischen Horizont ist: Frühverrentung wird noch in über der Hälfte der Großunternehmen praktiziert. Je größer das Unternehmen, desto häufiger. In KMU werden entsprechende Angebote zum vorzeitigen Erwerbsausstieg nur in Ausnahmen gemacht (ca. 20%). Mitunter parallel zur Frühverrentung sind in 28% der Unternehmen „Silver Worker“-Konzepte etabliert, d.h. mit ausgewählten Kompetenzträgern in FuE wird auch jenseits des Renteneintrittsalters, z.B. über Beratungs- oder Werkverträge, kooperiert.

„The Human Side of R&D“ wird sich jedoch wandeln: langsam, aber gewaltig.Auch wenn aktuell noch insbesondere in Großunternehmen per Frühverrentung eine jugendzentrierte Personalpolitik im Innovationsbereich betrieben wird, ist die Herausforderung, die Arbeit in FuEdemografierobust zu gestalten, nicht zu umgehen. Der damit verbundene Veränderungsprozess stellt eine Chance des demografischen Wandels für innovationsorientierte Unternehmen dar.

 

4. Veröffentlichungen zum Vorhaben

Altner, Nils/Paul, Anna (2014): Du musst Dein Leben ändern 2.0. Verhaltensänderungen anregen – Partizipation, Selbstwirksamkeit und Beziehungen stärken, in: Schweiz Z fGanzheitsmed 2014;26: DOI: 10.1159/000360747.

Altner, Nils (2013): Lebensstilgestaltung und Unternehmenskultur. Naturheilkundliche und Mind-body-medizinische Ansätze in der betrieblichen Gesundheitsförderung, in:CoMed Fachmagazin f Complementärmedizin, 19,4/13:34-36.

Kriegesmann, Bernd/Büscher, Matthias (2014): Alternsrobuste Innovationsarbeit im demografischen Wandel, in: Kriegesmann, Bernd (Hrsg.): Berichte aus der angewandten Innovationsforschung, Nr. 248, Bochum (i.E.).

 

Homepage des Verbundprojekts: www.kreare.de

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