Trust

Teamwork in unternehmensübergreifenden Kooperationen (TRUST)

 

Projektkoordinator:  Prof. Dr. Rudi Schmiede (Technische Universität Darmstadt, Institut für Soziologie)
Laufzeit: 01.08.2009 – 31.07.2013

 

1. Problemstellung

Veränderte wirtschaftliche Bedingungen haben dazu geführt, dass sich Unternehmen verstärkt in interorganisationalen und transnationalen Kooperationsbeziehungen organisieren. Unseren Erkenntnissen nach ist Vertrauen für erfolgreiches Kooperieren und gelingendes Zusammenarbeitenunerlässlich.

Die Untersuchungsfelder desVerbundprojekts TRUST (Teamwork in unternehmensübergreifenden Kooperationen) sind unternehmens- und standortübergreifenden Kooperationen in der Automobilbranche. Eine Leitfrage unseres Forschungsprojektes lautet, wie Vertrauen in einer komplexen, organisational gerahmten Situation generiert, stabilisiert oder aber auch gefährdet wird.

Unternehmensübergreifende Kooperationen zur Entwicklung von innovativen Produkten stellen eine besondere Art moderner Arbeitsorganisation dar. Diese Kooperationen weisen verschiedene Charakteristika projektförmiger Arbeit auf wie beispielsweise Flexibilisierung und Subjektivierung von Arbeitshandeln oder Steuerung über Zielvereinbarungen. Darüber hinaus besitzen sie die Besonderheit, dass die Arbeitsprozesse im Projekt durch die gleichzeitige Anwesenheit von Konkurrenzverhältnissen und gemeinschaftlichen Teamarbeitsstrukturen beeinflusst werden (Stichwort: „Coopetition“).

Vor dem Hintergrund dieser Ausgangssituation stellen sich dem Verbundprojekt TRUST folgende Forschungsfragen:

  • Was sind zentrale Herausforderungen und Problemlagen in unternehmensübergreifenden Kooperationen in der Automobilbranche?
  • Wie werden unternehmensübergreifende Projekte organisiert und wie arbeiten die Beteiligten de facto zusammen?
  • Wie manifestiert sich Vertrauen bzw. Misstrauen? Welche Funktionen übernimmt Vertrauen? In welchem Wechselverhältnis steht es zu anderen Faktoren? Wie baut sich Vertrauen auf oder auch ab?
  • Welche Methoden und Maßnahmen können gefunden werden, um Vertrauen in Projektteams zu fördern bzw. Misstrauen abzubauen?

 

2. Lösungsweg

Das Vorhaben gliedert sich in eine Erkundungs- und Untersuchungsphase, eine Analyse und Modellierphase und eine Transfer- und Verknüpfungsphase. In der Erkundungs- und Untersuchungsphase fanden die qualitativen und quantitativen empirische Untersuchungen, sowie Auswertung und Dokumentation der Ergebnisse statt. Es wurden zwölf Projekte in elf Unternehmen untersucht, die in einer ersten empirischen Phase anhand von 44 qualitative, leitfadenzentrierte Interviews analysiert wurden. Anschließend daran führten wir in einer zweiten Phase eine Online-Befragung in der Automobilindustrie durch.

In der Analyse- und Modellierphase werden gemeinsam mit den Unternehmenspartnern Methoden und Instrumente für Kooperationsbeziehungen entwickelt, konstruiert und evaluiert. In der Transfer- und Verknüpfungsphase werden schließlich die Ergebnisse und Praxisinstrumente gebündelt, verallgemeinert und einem Praxistest unterzogen sowie Netzwerkaufbau betrieben und Dialogforen durchgeführt. Über die gesamte Projektlaufzeit hinweg zieht sich die Öffentlichkeits- und Synergiephase, welche für den Transfer durch Webseite, Veröffentlichungen und Tagungen sorgt und auch die Projektkoordination beinhaltet.

 

3. Stand / Ergebnisse

Kooperationen kommt – und das gilt nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen – in der modernen Wirtschaft eine wichtige wettbewerbssichernde Bedeutung zu, da sie Betriebe flexibler machen und neue Möglichkeiten hinsichtlich Beschaffung, Produktentwicklung und Absatzchancen bieten und dabei helfen Ressourcenengpässe zu bewältigen. Um Potentiale und Schwierigkeiten von Kooperationsbeziehungen bewerten zu können, gilt es jedoch, die typischen Herausforderungen solcher Organisationsformen zu bestimmen und dabei den Aspekt des Vertrauens genauer zu analysieren.

Die empirischen Ergebnisse unseres Forschungsprojektes zeigen, dass sowohl personale als auch organisationale Aspekte bei der Genese von Vertrauen und damit für das Gelingen von Kooperationen eine Rolle spielen. Es geht hierbei um Aspekte wie persönliches Kennen, Zeit, Stabilität, Reziprozität, persönlicher und wirtschaftlicher Nutzen, Transparenz, Kontrolle, Wissensschutz und vertragliche Regelungen, aber auch um die Bereitstellung notwendiger Ressourcen. Um gezielt Einfluss auf die Qualität von Kooperationen zu nehmen, ist eine Reihe von Maßnahmen denkbar. Das TRUST-Projekt macht mit seinen beiden Tools hierzu zwei Angebote für die betriebliche Praxis. Die Forschungsergebnisse des Projektes TRUST münden in zwei Tools für die betriebliche Praxis, die im Jahr 2013 abschließend gestaltet und entwickelt werden konnten. Mit CoTeQ und gecobekommen Unternehmen Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und in Teams gezielt zu stärken.

Der CoTeQ-Collaboration& Team Questionnaire,ist ohne großen Aufwand in ein Projektmanagement integrierbar ist und hilft, Probleme und Herausforderungen sowohl auf der organisatorischen als auch auf der zwischenmenschlichen Ebene in laufenden Projekten ausfindig zu machen. Um das Tool zu nutzen ist lediglich eine kostenfreie Registrierung auf der Website (www.trust.iao.fraunhofer.de) erforderlich:

Der CoTeQ arbeitet Fragebogenbasiert und basiert auf 12 Items auf (Teamverständnis, Kommunikation, Kultur, Datenaustausch, Schnittstellen, Flexibilität, Persönliches Kennen, Vertrauen, Klima, Nutzen, Kompetenzen, Einsatz). Hinter diesen Kriterien stehen insgesamt 20 Fragen, die das Kooperationsklima und den Grad des Vertrauens in einem Team abfragen. In der Praxis funktioniert das webgestützte Tool folgendermaßen: Mit der Einladung zu Teammeetings wird ein Link zu der Befragung verschickt. Onlinegestützt beantwortet dann jedes Teammitglied die 20 Fragen anonym. Das Ergebnis der Befragung ist ein Kiviatgraph, der auf 12 Achsen die Durchschnittswerte inklusive der Standardabweichungen der Antworten visualisiert, wie folgendes Beispiel illustriert:

Diese Grafik steht allen Teammitgliedern zur Verfügung und kann im Rahmen eines Meetings gemeinsam bewertet werden. Das Tool eignet sich zum regelmäßigen Einsatz während eines Projektes und kann so auch Veränderungen und Dynamiken abbilden. Es ist einfach und schnell zu verwenden und wirkt als eine beständige Selbstüberprüfung. Es erinnert immer wieder an wichtige Dimensionen der Zusammenarbeit und festigt die Sensibilität für weiche Erfolgsfaktoren.

Beim zweiten Tool handelt es sich um ein umfassendes Projektmanagementsystem. geco steht für Global EnterpriseCooperationAssistantund unterstützt nationale und internationale Kooperationsnetzwerke, weitere Informationen können über die Webseite des Projektpartners :em AG (http://www.em.ag/produkte/geco/) bezogen werden. Der Assitent kommt zum Einsatz, wenn in Kooperationen eng mit Partnern oder internen Standorten zusammen gearbeitet wird. Denn unter diesen Umständen ergeben sich in der Praxis zwangsläufig folgenden Fragestellungen:

  • Wie kann schnell (ad-hoc) und flexibel ein Kooperationsnetzwerk mit verschiedenen Rollen aufgebaut, überwacht und beendet werden?
  • Nach welchen Kriterien kann das Vertrauen in einen Kooperationspartner bewertet werden?
  • Wie kann der Überblick über die ausgetauschten Daten im Netzwerk behalten werden?
  • Wie können Maßnahmen zum Wissensschutz in Abhängigkeitvon Klassifizierungen in das Kooperationsnetzwerkintegriert werden?

Die Erfahrung zeigt, dass ohne geeignete technische Unterstützung die Übersicht über den Datenaustausch in komplexen Kooperationsnetzwerken verloren geht. Oft werden Daten ungeschützt an Kooperationspartner weitergegeben, die dann ihre Reise um die Welt selbstständig antreten. Im Rahmen des Forschungsprojektes TRUST entwickelte die :em AG die Assistenzsoftware geco, die es ermöglicht Entwicklungsdokumente benutzerfreundlich und sicher in Kooperationen auszutauschen, um eine vertrauensvolle Basis für die Zusammenarbeit aufzubauen. Fragen, danach, wer welche Daten hat, wie die Projektstruktur ausgebaut ist, wer die Daten dokumentiert oder wie hoch der Vertrauensfaktor beim jeweiligen Kooperationspartner ist, können dort abgebildet werden.

geco ermöglicht es,Informationen benutzerfreundlich undsicher in Kooperationen auszutauschen, um eine vertrauensvolleBasis für die Zusammenarbeit aufzubauen.Zusätzlich wird den Mitarbeitenden ein Werkzeug an die Hand gegeben,um sowohl Risiken des Wissensverlusts beim Datenaustausch als auch erfahrungsbasiertes Vertrauen zum Kooperationspartner abzuschätzen. Vor allem aber wird Transparenz bezüglich der Berechtigungen und des tatsächlichen Austauschs geschaffen, wie die Abbildung beispielhaft zeigt:

Dazu bietet GECOFunktionen zum Multi-Kooperationsprojektmanagement mitgrafischer Unterstützung zum Abbilden von Gemeinschaftsprojektenunter Berücksichtigung verschiedener Rollen in der Zusammenarbeit(Projektleiter, Kooperationsteilnehmer) und zur Vertrauensbewertung und Typisierung der Kooperationspartner. GECO integriert dabei Wissensschutzmaßnahmen in Abhängigkeit der Klassifizierungder Dokumente und der Bewertung des Kooperationspartners.

 

4. Veröffentlichungen zum Vorhaben in 2012/2013

Schilcher, C.; Schmiede, R.; Sauer, S.; Will-Zocholl, Mascha; Straub, R. (2013): Vertrauensbasiert kooperieren. Teamwork in unternehmens- und standortübergreifenden Projekten. Aachen: shaker

Roth, S. (2013): Vertrag und Vertrauen. Die Regelung von Entwicklungskooperationen in der Automobilindustrie. Aachen: shaker

Straub, R. (2013): Kontrolle und Vertrauen. Die Regelung von Entwicklungskooperationen in der Automobilindustrie. Aachen: shaker

Sauer, S.; Schilcher, C.; Will-Zocholl, M. (2013): Zur Untrennbarkeit von systemischen und personalen Aspekten von Vertrauen: Wider vereinseitigender Differenzierungen. In: Arbeit 22(1): 32 – 46

Pfeiffer, S. (2012): Arbeit in Bewegung – Innovation stillgestellt? Standardisierung 2.0 in der Innovationsarbeit des Maschinenbaus. In: Christian Schilcher et al. (Hrsg.) (2012): Arbeitswelten in Bewegung: Arbeit, Technik und Organisation in der nachindustriellen Gesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften: 59 – 83

Krastel, M. (2012a): Kooperationen am Fließband - Herausforderung für Management und IT-Systeme. In: ProduktDatenJournal (2): 24 – 27

Krastel, M. (2012b): Kooperationen – Herausforderungen für Management. In: oemsupplier 9(9): 86 – 88

Sauer, S.; Huchler, N. (2012): Vertrauensniveaus im agilen Projektmanagement. In: Praeview. Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention (2). 20 – 21

Sauer, S.; Pfeiffer, S. (2012): (Erfahrungs-)Wissen als Planungsressource: Neue Formen der Wissens(ver?-)nutzung im Unternehmen am Beispiel agiler Entwicklungsmethoden. In: Koch. G.; Warneken. B. (Hrsg.) (2012): Wissensarbeit und Arbeitswissen. Zur Ethnografie des kognitiven Kapitalismus. Frankfurt/Main: Campus: 195 – 209

Verbundprojekt TRUST (2012): Teamwork in unternehmensübergreifenden Kooperationen. In: Möslein, K.;Trinczek, R.; Böhler, D.; Eichler, L.; Hallerstede, S.; Krämer, K.; Renken, U.; Staples, R. (Hrsg.): Working Knowledge. Arbeit gestalten in der Innovationsgesellschaft. Nürnberg: FAU: 60-61

Diekmann, J. (2012): Dem Konkurrenten vertrauen - gemeinsam zum Erfolg? Kooperation im Verbund mittelständischer Zulieferer. Aachen: Shaker (zugl. Diplomarbeit TU Darmstadt)

Schilcher, Ch./ Will-Zocholl, M. (Hg.)(2012): Arbeitswelten in Bewegung. Arbeit, Technik und Organisation in der "nachindustriellen Gesellschaft". Wiesbaden: VS Verlag

Fakhry, R. (2012): Konzeption eines Vertrauensmodells für den Wissensschutz im Datenaustausch innerhalb von Produktentwicklungskooperationen. Bachelorarbeit am Fachgebiet DIK. TU-Darmstadt.

Henriques, J.; Völz, D.; Anderl, R. (2012): Product data exchange security processes based on trust and rights management. In: Proceedingsofthe TMCE Karlsruhe, Mai 2012: 7-11

Schilcher, C.; Will-Zocholl, M. (2012): Vertrauen in Kooperationen. Einsichten aus der Automobilindustrie. In: ZfKE - Zeitschrift für KMU und Entrepreneuship, Jg. 60, Heft 3. Berlin: Dunker & Humblot: 200-217

Schilcher, C.; Will-Zocholl, M.; Ziegler, M. (Hrsg.) (2012): Vertrauen und Kooperation in der Arbeitswelt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schilcher, C.; Will-Zocholl, M.; Ziegler, M. (2012): Vertrauen und Kooperation in der Arbeitswelt - Eine Einführung. In: Dies. (Hrsg.): 11-22

Schilcher, C.; Ziegler, M.; Sauer, S.; Will-Zocholl, M.; Poth, A. K. (2012): Personale und systemische Dimensionen des Vertrauens: Vertrauenspraktiken am Beispiel unternehmens- und standortübergreifender Kooperationen. In: Schilcher et al. (Hrsg.): 123-144

Sauer, S. (2012): Vertrauen bei der Arbeit in interkulturellen Teams. Eine Herausforderung für Beschäftigte, ihre Vertretungen und für Unternehmen. In: Computer und Arbeit, Heft 01/2012, 20-22

Internetseiten:

www.trust-teamwork.de

www.trust.iao.fraunhofer.de (CoTeQ)

http://www.em.ag/produkte/geco/ (geco)

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