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Megatrends und Arbeitsleben: Wettbewerb der Gestaltungskonzepte

Die nächste Phase der Globalisierung lässt sich nicht mehr nur mit der Flexibilisierung von Arbeitszeit und –volumen bewältigen. Eine wesentlich größere Beweglichkeit sowohl der Unternehmensleitungen als auch der Belegschaften ist gefordert, um die komplexen Aufgaben eines sich beschleunigen Wandels auf Unternehmensebene, in Wirtschaftssektoren und in größeren Wirtschaftsräumen zu bewältigen. Dies wird auch zu einer Konkurrenz unterschiedlicher Systeme und Konzepte der Unternehmens- und Arbeitsorganisation führen, vor allem zwischen einem zentralistischen Modell mit Trennung von Planung und Kontrolle einerseits und ausführender Arbeit andererseits und Modellen partizipativer Unternehmensführung. Weiterhin stellen digitalisierte Arbeitsmärkte völlig neue Anforderungen an die Selbstorganisationsfähigkeit der Betroffenen zur Wahrung ihrer Interessen und zur Gestaltung der Arbeitsverhältnisse. Auch hier sind konkurrierende Konzepte zu erwarten. Rationalisierung und neue Technologien werden die Zahl der Entqualifizierten erhöhen und weniger Arbeitsplätze für wenig Qualifizierte bereitstellen. Hier sind neue gemischtwirtschaftliche Konzepte erforderlich, die einerseits Bildung, Weiterbildung und Neuqulifizierung beinhalten, andererseits aber auch neue Arbeitsplätze für weniger Qualifizierte und Leistungsschwache. Hier kann eine gezielte Technologieentwicklung für diese Arbeitsplätze und eine Zusammenarbeit von Unternehmen und insbesondere Kommunen zu neuen wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen führen.

Die Analyse der Entwicklung der Weltwirtschaft der kommenden Jahrzehnte und der Verfügbarkeit neuer wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse hat gezeigt, dass sich die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt erheblich verändern werden.

  • Die globale Nachfrage verschiebt sich zu den heutigen Entwicklungsländern, insbesondere nach Asien. In den kommenden Jahren entstehen dort ca. 1,8 Mrd. neue zahlungskräftige Konsumenten. Außerdem steigt der Bedarf an Infrastrukturleistungen aufgrund der zunehmenden Urbanisierung.
  • In den heutigen Entwicklungs-und Schwellenländern erfolgt ein dynamischer Aufbau von Industriekapazitäten, insbesondere in China und Indien. China wird zunehmend zum Produzenten von Qualitätsprodukten und technologisch anspruchsvollen Produkten. Dies betrifft insbesondere die heute in Deutschland dominierenden Industriezweige. Schon heute wird deutlich, daß asiatische Unternehmen starke Positionen vor allem auch in neuen, technologieintensiven Industriezweigen erworben haben (I&K, Erneuerbare Energien, neue Batterietechnologien; LED Beleuchtung z.B.) während z.B. Deutschlad diese Chancen nicht konsequent genutzt hat.
  • Die Löhne in den sich industrialisierenden Ländern steigen überproportional; der Kreis der Niedriglohnländer verschiebt sich nach Südostasien, Indien und Afrika.
  • Rohstoff-und Energiepreise werden überproportional steigen; die Umweltbelastung muss schrittweise reduziert und die Ressourceneffektivität erhöht werden. Neue Materialien, neue Formen der Energieversorgung, Kreislaufwirtschaftskonzepte und neue Konsummuster, “Share Economy“ und ökologische Wirtschaft nach „cradle to cradle“ Prinzipien.
  • Die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern wird immer differenzierter, nach regionalen, kulturellen und individuellen Kriterien; die Einbeziehung des Kunden in Unternehmensprozesse nimmt auch im Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich zu.
  • Industrieproduktion und Dienstleistungen wachsen mehr und mehr zusammen; der Dienstleistungsanteil an einer Gesamtleistung erhöht sich weiterhin überproportional. Weiterhin findet eine zunehmende Technisierung von Dienstleistungsarbeit statt, auch in der Wissens- und Ineraktionsarbeit.
  • Der Einsatz von „Wissen“ in der Produktion und der Produktentwicklung (bzw. der Entwicklung eines Leistungsangebotes) erhöht sich beträchtlich. Dies betrifft nicht nur technisches und organisatorisches Wissen, sondern auch detailliere Kenntnis von Märkten, Wertschöpfungsnetzwerken, lokalen Produktions-und Vertriebsbedingungen usw. Die weltweite Diffusion von Wissen beschleunigt sich erheblich. Infolgedessen steigt auch der Innovationsdruck beträchtlich. Die Verfügbarkeit neuer Technologien, die vor allem auch in den Wirtschaftszweigen entwickelt werden, die im internationalen Wettbewerb stehen, werden in Verbindung mit den neuen Knappheiten auf den Arbeitsmärkten auch in den nicht im internationalen Wettbewerb stehenden Dienstleistungssektoren zu verstärktem Technikeinsatz, neuen Geschäftsmodellen und neuen Arbeitsprozessen führen.
  • Der globale Arbeitsmarkt steht vor fundamentalen Umbrüchen. Während von 1980 bis 2010 die Zahl der weltweit verfügbaren Arbeitskräfte um 1,2 MRD auf 2,9 Mrd. stieg, wird sich der Zuwachs bis 2030 auf o,6 Mrd. vermindern. Jüngere Arbeitskräfte werden mit geringerer Rate in den Arbeitsmarkt eintreten und ältere mit höherer Rate ausscheiden. Weiterhin verändert die fortschreitende Industrialisierung in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Nachfrage nach qualifizierten Kräften.    Weltweit wird ein erhebliches Defizit an Facharbeitern und akademisch ausgebildeten Kräften entstehen, vor allem aber an Spezialisten für spezifische Bedarfe .Maßgeblich für diese Differenzen sind fehlende oder nicht   Bildungsstrukturen und -kapazitäten , sowohl in Schwellenländern wie Indien und China als auch in den fortgeschrittenen Ländern mit alternder Bevölkerung .Demgegenüber wird ein Überangebot unqualifizierter und gering qualifizierter Arbeitskräfte entstehen. Allein der internationale Wettbewerbsdruck wird weitere Produktivitätssteigerungen und die weltweiten Veränderungen der Märkte höher qualifizierte Arbeitskräfte verlangen. Die bereits bestehende Schere zwischen den Einkommensgruppen wird sich weiter öffnen, wenn keine politischen Gegenmaßnahmen getroffen werden.
  • Der weltweite Standortwettbewerb wird sich nicht mehr nur primär nach der Höhe der Lohnkosten vollziehen. Maßgeblich wird eine Gesamtkostenbetrachtung werden, die auch die Verfügbarkeit von Zulieferern, Dienstleistern und qualifizierten Fachkräften sowie Qualität von Infrastruktur und staatlichen Leistungen berücksichtigt.

Neben diesen strukturellen Faktoren wirken sich weiterhin generelle wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf das Arbeitsleben aus.

  • Steigende Volatilität der Nachfrage
  • Steigende Volatilität von Rohstoff,- Material- und Energiepreisen
  • Währungsfluktuationen und -krisen, Verschuldung und Ungleichgewichte in Handels- und Zahlungsbilanzen, Kapitalmarktturbulenzen
  • Wachsende Risiken zunehmend ausgedehnter und komplexerer Wertschöpfungsketten
  • Risiken einzelner Standorte, politische Instabilität, Naturkatastrophen

In dieser volatilen mit hohen Risiken durch wirtschaftliche und technologische Umbrüche, Schocks und Wettbewerbsdruck verbundenen Gesamtsituation werden weltweit agierende Großunternehmen und weltweit agierende Netzwerke entstehen, um diese Risiken abzufedern. Diese neuen Strukturen der Weltwirtschaft (Beisp.: Google, Amazon, Toyota, VW) können sich zu „Staaten im Staate“ entwickeln mit erheblichem politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Für mittlere Unternehmen bedeutet dies einen weiteren Innovations- und Spezialisierungsdruck bei hoher Wettbewerbsintensität. Um Abhängigkeiten und Ausbeutung zu vermeiden, müssen auch diese Unternehmen langfristig planen, ihre Beweglichkeit erhöhen, um bereit zu sein, neue Märkte zu erschließen und neue Netzwerke zu schaffen.

Diese neuen Bedingungen werden auch zu einem Wettbewerb der Unternehmenskulturen und der Organisations-, Führungs- und Arbeitskonzepte in Unternehmen führen. Zwar hat die noch für die 80ger Jahre prägende Konkurrenz unter integrierten Großunternehmen einer Konkurrenz unter flexiblen Wertschöpfungsketten und Netzwerken Platz gemacht, die zentrale Position der Großunternehmen in Wertschöpfungsketten ist jedoch erhalten geblieben, auch wenn nicht mehr alle Abläufe hierarchisch definiert und gesteuert werden können. Auch die Einführung neuer Planungs- und Controllingmethoden hat das Primat zentraler Planung und Steuerung nicht aufgehoben. Die Volatiltät liberalisierter (Welt-) Märkte wurde und wird durch flexible Arbeitsformen wie z.B. Jahresarbeitszeitkonten, Leiharbeit, Werkverträge, Outsourcing , Lohnanpassungen und auch durch gesamtwirtschaftliche Maßnahmen (Kurzarbeitergeld, Arbeitslosenunterstützung, Jobvermittlung und Weiterbildung aufgefangen. Diese im Wesentlichen zeitliche Flexibilität im Arbeitseinsatz genügt den neuen Bedingungen nicht. In Zukunft muss nahezu gleichzeitig und unter mit den Jahren zunehmendem Druck eine wesentlich größere Beweglichkeit des unternehmerischen Handelns in vielen Bereichen (Märkte, Technologie, Kundenintegration, Ressourcenschonung usw. herbeigeführt werden.

Zentralistische Unternehmensmodelle dominieren weiter
Das vorherrschende zentralistische Unternehmensmodell (Trennung von Planung ,Entscheidung und Kontrolle von der Ausführung der Arbeit) wird aus Gründen des Machterhalts der Unternehmensführung und der Kapitaleigner erhalten bleiben. Die derzeitige finanzwirtschaftliche Steuerung der Unternehmen muss jedoch einer mehr strategischen und nachhaltigen Unternehmensentwicklung weichen. Es werden auch weitere und neue Wege gesucht werden, durch Outsourcing, Leiharbeit und Werkverträge Arbeit soweit möglich zu einem variablen Kostenfaktor zu machen und durch Netzwerkbildung und -integration sowie durch stärkere zentrale Kontrolle von Wertschöpfungsketten Produktivität und Flexibilisierung zu erhöhen. Die Instabilität der neuen Arbeitsverhältnisse birgt jedoch auch Gefahren. Erforderliche Fachkräfte werden nicht immer „just in time“ zur Verfügung stehen, Teams können auseinanderbrechen, wenn Schlüsselpersonen gehen, weil die Konkurrenz mehr bietet. Der hochqualifizierte Tagelöhner, der kurzfristig über crowd sourcing engagiert werden kann, ist in einer Welt knapper Qualifikationen ein Wunschtraum. Deshalb wird die gespaltene Entwicklung mit Stammmannschaften auf der einen Seite (allein schon , um Betriebsgeheimnisse zu sichern) und zugekaufter Arbeit andererseits weiter fortgeführt werden. Dies wird ergänzt durch gesundheits- und personalpolitische Maßnahmen angesichts zunehmend heterogener Belegschaften sowie durch massiven Einsatz neuer Technologien zur Unterstützung der zentralen Planung, der Entscheidungsfindung und des Controlling (Big Data, Algorithmen) sowie zur Produktivitätssteigerung im Leistungserstellungsprozess ( Automation, Künstliche Intelligenz, Robotik, Mikrotechniken usw.). Insbesondere werden Wissens- und Interaktionsarbeit professionalisiert, Routinetätigkeit wird abgespalten und automatisiert oder geringer Qualifizierten zugewiesen und technisiert (z.B. Gerätevernetzung und Robotik in der Pflege).

Fraglich ist, ob alle diese Maßnahmen ausreichen, um

  • Erfahrungswissen im erforderlichen Umfang zu mobilisieren,
  • Motivation und Kreativität zu erhöhen,
  • Vertrauensverhältnisse ( ins Unternehmen und nicht nur im Team) zu schaffen
  • Ressourcen sparsam einzusetzen,
  • Innovation nicht nur zu erzeugen, sondern auch mit erforderlicher Schnelligkeit umzusetzen,
  • Sowie vor allem, häufigere Veränderungsprozesse größeren Umfangs reibungsarm umzusetzen.

Partizipative Unternehmensführung im Vorteil
Das Konkurrenzmodell partizipativer Unternehmensführung hebt im Grundsatz die Trennung von Planung, Kontrolle und Ausführung auf. Damit werden Unternehmensprozesse in einem bottom-up Prozess aus dem Wissen der Ausführenden initiiert, geplant und ausgeführt. Alle Beteiligten sind in diese Kooperations- und Lernprozesse eingebunden. Auf Team- und Projektebene haben sich solche Organisationsmuster bereits bewährt. Zentrale Aufgaben (Zielvorgaben) und Ressourcen Zuweisung schränken jedoch die Selbstorganisation oft zu Lasten der Beschäftigten ein und führen zu Überbelastung mit der Folge gesundheitlicher Schäden und Verwischung von Berufs- und Privatleben. Partizipative Modelle müssen deshalb um (Mit) Entscheidung über Zilvorgaben und Ressorcenzuweisungen sowie der Gestaltung von Arbeitsorganisation und -prozessen nach selbsterarbeiteten Vorgaben erweitert werden. Die damit verbundene Übernahme von Mitverantwortung nicht nur für den unmittelbaren Arbeitsbereich, sondern mittelbar auch für das Unternehmen ist allerdings nur realisierbar, wenn Mitbestimmung verankert ist.

Modelle partizipativer Unternehmensführung werden erst auf wenigen Ebenen der Unternehmen eingesetzt. Es sind deshalb weitere Ansätze und Projekte erforderlich, um die Leistungsfähigkeit dieses Modells auch auf höheren Ebenen des Unternehmens zu dokumentieren. Die Erfahrungen der letzten Jahre mit Veränderungen der Arbeitswelt insbesondere durch die Digitalisierung zeigen, daß sich neue Organisationskonzepte eher situativ und experimentell entwickeln. Dies gilt insbesondere für partizipative Konzepte, deren Vorteile sich vor allem bei hohem Innovationsdruck, Beachtung kritischer (Daten-) Sicherheitsaspekte, Umsetzung umfassender Restrukturierungsmaßnahmen , tiefgreifenden Veränderungen der Sektoren sowie gleichzeitig hohen Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten zeigen.

Die Digitalisierung des Arbeitsmarktes wird in den kommenden Jahren beschleunigt werden. Dies umfasst plattformbasierte Arbeitsmärke (z.B. für Haushaltshilfen, Kellner, spezielle Fachkräfte usw. sondern auch Bewertung und Auswahl von Arbeitskräften mit Normalarbeitsverträgen. Hier zeichnet sich ab, dass auch außerberufliche Aktivitäten von Bewerbern, soweit sie im Internet, insbesondere über soziale Netzwerke recherchierbar sind, in Beurteilungen einbezogen werden Der Schutz persönlicher Daten ist deshalb weltweit eine Aufgabe ersten Ranges, nicht nur für den Staat, sondrn auch für betriebliche Vereinbarungen. Der Schutz der Privatsphäre und die (kollektive) Wahrung der eigenen wirtschaftlichen Interessen der neuen „Tagelöhner“ werden ebenfalls zu konkurrierenden Konzepten führen. Rechtliche Regelungen dieser „neuen“ Arbeitsmärkte werden allein nicht ausreichen, neue Formen der Selbstorganisation und der Interessenvertretung sind erforderlich.

Die Digitalisierung der Wirtschaft, aber auch die anderen genannten Technologien können zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führen und zwar in zwei Bereichen. Einerseits werden einfache und auch höherwertige Routinetätigkeiten automatisiert, so dass insbesondere weniger Qualifizierte keine Arbeit finden. Andererseits werden Qualifikationen entwertet, weil die neue Technologie ganz andere Qualifikationen verlangt als die alte. (Beisp. Umstellungsmaßnahmen Telekommunikation) Auch hier ergibt sich die doppelte Aufgabe von Weiterbildung/Requalifizierung einerseits und Schaffung neuer Arbeitsplätze andererseits. Hier könnte eine gezielte Technologieentwicklung ( technische Intelligenz, Assistenzsysteme z.B.) helfen, auch für weniger Qualifizierte und Leistungsgeschwächte wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu schaffen.

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