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Zukunft Pflege

Zukunft der Pflege im demografischen Wandel – Innovationsfähigkeit durch Organisationslernen und regionale Netzwerkbildung (Zukunft: Pflege)

 

Projektkoordinator:  Dr. Peter Bleses (Universität Bremen - ZWE artec Forschungszentrum Nachhaltigkeit)
Laufzeit: 01.01.2012 - 30.04.2015

 

1. Problemstellung

Der demografische Wandel betrifft die Pflegebranche besonders stark. Die Pflegeunter­nehmen tun sich bereits schwer, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden und an sich zu binden. Das Problem wird sich zukünftig noch deutlich verschärfen. Hiervon ist auch die ambulante Pflege betroffen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein großes Wachstum verzeichnete. Trotz der gewachsenen Bedeutung der ambulanten Pflege gibt es bislang kaum auf sie zugeschnittene Gestaltungsansätze, die eine angemessene Reaktion auf die immer größer werdenden Herausforderungen durch den demografischen Wandel bieten.

 

2. Lösungsweg

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Förderschwerpunkts »Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel« geförderte VerbundprojektZukunft:Pflege (Zukunft der Pflege im demografischen Wandel – Innovationsfähigkeit durch Organisationslernen und regionale Netzwerkbildung) wird angesichts der tiefgreifenden Auswirkungen des demografischen Wandels Gestaltungs­konzepte für eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit in der ambulanten Pflege erarbeiten. Es wählt dabei zwei miteinander verbundene Wege:Erstens werden mit zwei ambulanten Pflegeunternehmen Gestaltungskonzepte erarbeitet und erprobt, die die nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit von Pflegekräften ebenso wie Büro-, Leitungs- und Hauswirtschaftskräften durch eine gute Gestaltung der Arbeits­organisation, der Arbeitsprozesse wie insbesondere der Kooperation und Kommunikation fördern sollen.Zweitens wird ein regionales Unterstützungsnetzwerk für die ambulante Pflege aufgebaut, das die oft kleinen und mittleren Pflegeunternehmen angesichts ihrer zum Teil geringen Ressourcenausstattung zur Bewältigung dringender Zukunftsaufgaben unterstützen soll. Im Netzwerk kooperieren ambulante Pflegeunternehmen untereinander und mit weiteren Partnern (z. B. Anbieter von Qualifikationsmaßnahmen oder Gesundheitsdienstleistun­gen) mit dem Ziel, voneinander zu lernen und durch Zusammenarbeit mehr als jeweils allein erreichen zu können.

 

Das Verbundprojekt wird in seinen beiden Handlungsfeldern von einer Reihe von ‚Unterstützern‘ (sog. Valuepartner) begleitet, die sich bereits im Vorfeld bereit erklärt haben, dem Projekt beratend zur Seite zu stehen, Hilfe beim Aufbau des Netzwerkes und beim Transfer der Ergebnisse in die Pflegebranche zu leisten:

  • Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Bezirksstelle Delmen­horst (BGW)
  • Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V., Landesgeschäftsstelle Bremen / Bremerhaven und Bundesgeschäftsstelle (bpa)
  • Gesundheit Nord gGmbH, Klinikverbund Bremen
  • Institut für Berufs- und Sozialpädagogik e. V., gemeinnütziger Bildungs- und Privatschul­träger, Schulzentrum, Altenpflegeschule, Bremen (ibs)
  • Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), Stade/Hannover
  • Wirtschafts- und Sozialakademie der Arbeitnehmerkammer Bremen gGmbH (wisoak)

 

Nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit als Ziel

Die hohen Fluktuationsraten in der Pflege im Allgemeinen wie der ambulanten Pflege im Besonderen legen nahe, dass hier die Bedingungen für eine nachhaltige Beschäftigungs­fähigkeit nicht gut gestaltet sind. Nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit sehen wir als eine Eigenschaft von Personen, dauerhaft und über sich wandelnde berufliche oder private Anfor­derungen und Widrigkeiten hinweg in einem gewählten Berufs- oder Tätigkeitsfeld verbleiben zu können. Diese Fähigkeit wird nicht allein durch die Person selbst, sondern stark auch durch tätigkeitsbezogene, organisationale, gesellschaftliche und politisch-rechtliche Einflüsse mitbestimmt.

 

Dabei steht im Mittelpunkt, ob Personen dauerhaft mit den durch die Arbeit hervorgerufenen Belastungen zurechtkommen können. Das betrifft in der Hauptsache ihre gesundheitliche Situation. Wichtig ist zudem, ob Personen den fachlichen Anforderungen, die ihre Arbeit an sie stellt, dauerhaft gerecht werden können. Schließlich ist auch die Frage nach der Zufriedenheit mit der eigenen Situation in der Arbeit von großer Bedeutung. Diese ist wieder­um von vielen verschiedenen Einflüssen abhängig: Den Arbeitsbedingungen, der Koopera­tion mit den Kolleginnen und Kollegen sowie den Führungskräften, der Anerkennung der eigenen Arbeit im Unternehmen, dem Erleben der Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit, den Möglichkeiten der Vereinbarkeit von beruflichen Belangen und dem Privatleben. Nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit wird also ganz wesentlich dadurch bestimmt, ob sich Personen in ihrer Arbeit gesund, kompetent und zufrieden fühlen. Das Projekt Zukunft:Pflege setzt an diesem Punkt an, indem es fragt, wie die ambulante Pflege sich so aufstellen kann, dass den Beschäftigten genau das ermöglicht wird.

 

Theoretisch-methodisches Vorgehen

Das Teilvorhaben bedient sich – neben der Netzwerktheorie und ‑analyse – vor allem der methodischen Mittel der praxisorientierten Handlungsforschung, die sich im Kern auf den Dialog als Mittel und Ziel in Analyse und Gestaltung stützt. Dialogische Methoden haben eine hohe Bedeutung in der Praxisforschung, weil davon ausgegangen wird, dass die betrieblichen Akteure ihre Arbeitstätigkeit, die betrieblichen Strukturen und den betrieblichen Sozialzusammenhang stets sehr unterschiedlich erleben und deuten. Daraus resultieren wiederum unterschiedliche Sichtweisen und Interessenlagen, die zwar die betrieblichen Kooperationsbeziehungen wie die Unternehmenskultur stark mitbestimmen, jedoch häufig nicht offensichtlich sind, weil nicht alle betrieblichen Gruppen die gleichen Möglichkeiten der betriebsöffentlichen Artikulation besitzen. Das bedingt beispielsweise verdeckt schwelende Konflikte, organisatorische Veränderungswiderstände, Vertrauensdefizite, Spannungen zwischen strategisch intendierter Unternehmens­kultur und emergenten kulturellen Mustern sowie gesundheitliche Belastungen.

 

Die Wissenschaft hat in der Praxisforschung neben der – neutralen – analytischen und moderierenden Rolle zusätzliche Aufgaben und Ziele. Ein wichtiges Ziel ist es, aus der Praxis zu lernen, um aus dem Einzelfall heraus verallgemeinerungsfähiges Wissen zu generieren. Dieses Wissen kann zur Entwicklung übergreifender Gestaltungskonzepte oder der Überprüfung und Weiterentwicklung von Theoriekonzepten dienen. Das Wissen um Theorie wie Praxis jenseits des gerade fokussierten betrieblichen Einzelfalls dient dann dazu, der Praxis bei der Suche nach Gestaltungslösungen behilflich zu sein.

 

Bereits in der Zusammenarbeit mit den Unternehmenspartnern sollen Bedarfe abgeleitet werden, welche die kleinen und mittleren ambulanten Pflegeunternehmen nicht selbst ab­decken können, sondern als Unterstützungsbedarfe an das aufzubauende Netzwerk Zukunft:Pflege richten. Sie werden mit den Ergebnissen zusammengebracht, welche die Netzwerkagentur durch eine Befragung weiterer ambulanter Pflegeunternehmen in Bremen zu deren Bedarfen hinsichtlich der Unterstützung durch das regionale Netzwerk ermittelt. Sie bilden den Ausgangspunkt für das im Netzwerk zu erstellende Angebot in den Bereichen Gesundheitsförderung, Kompetenz- und Qualifikationsentwicklung.

 

3. Stand/Ergebnisse

Folgende wichtige Analyseergebnisse können hervorgehoben werden:

  • Die ambulante Pflege ist durch einen sehr großen verwaltungstechnischen und arbeits­organisatorischen Aufwand gekennzeichnet. Dieser Aufwand betrifft die Arbeit der Führungskräfte ebenso wie jene der Pflegekräfte. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zum stationären Bereich, an dem die personalen Dienstleistungen an einem Ort erbracht werden können. Der hohe Organisationsaufwand der ambulanten Pflege wird durch Unternehmen erbracht, die relativ klein sind und deshalb über eine relativ geringe personelle und finanzielle Ressourcenausstattung verfügen.
  • Wichtige Ressourcen der Arbeit im ambulanten Bereich bilden die Nähe zu den Pflege­bedürftigen, deren Wunsch es ist, daheim gepflegt zu werden; die unmittelbare Sinn­stiftung der Dienstleistung; belastende Situationen bei der Arbeit mit Pflegebedürftigen aufgrund des zeitlich begrenzten Aufenthalts bei einzelnen Personen schnell beenden zu können; ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit auf der Tour ebenso wie im Leitungs­team in der Verwaltung.
  • Zentrale Belastungen der Arbeit im ambulanten Bereich bilden die zunehmende Ar­beitsverdichtung durch enge Zeittaktungen und den gestiegenen Dokumentations­aufwand; die Arbeit allein auf der Tour ohne beständige Unterstützungsmöglichkeit durch Kollegen/innen; die aufwändige und sehr komplex gestaltete Kommunikation zwischen Pflegekräften verschiedener Schichten, die sich nicht direkt begegnen, und zwischen ihnen und dem Leitungsteam; die psychischen Belastungen durch zum Teil schwierige Arbeitssituationen und durch das Gefühl, den eigenen Ansprüchen an die Arbeitsqualität aufgrund der Rahmenbedingungen nicht immer gerecht werden zu können; neue (Qualifikations‑)Anforderungen in der ambulanten Pflege aufgrund einer veränderten Klientel, die zuvor nicht in der ambulanten (Alten‑)Pflege vertreten war (z. B. jüngere Pflegebedürftige; psychisch erkrankte Menschen).

 

Die im Anschluss an die Analysen gegründeten Arbeitsgruppen befassten sich mit folgenden Themenstellungen, zu denen Lösungen gemeinsam erarbeitet wurden:

  • Gestaltung der Übergabesituation
  • Gestaltung der Tourenplanung
  • Gestaltung des Umgangs mit digitalen Tourenbegleitern
  • Gestaltung der Dienstplanung
  • Gestaltung des Umgangs und der Verantwortlichkeiten in der Pflegedokumentation
  • Gestaltung der Dienstbesprechungen
  • Gestaltung der Fortbildung
  • Gestaltung der Kommunikation (Orte, Formen, Haltungen)
  • Gestaltung der Anerkennung
  • Gestaltung der Bereitschaftsdienste und des Einspringens bei Aufällen
  • Integration des Themas Gesundheitsförderung (u. a. der Gefährdungsbeurteilung) in die betriebliche Steuerung (Steuerungskreis) und den betrieblichen Alltag

Die erarbeiteten Gestaltungslösungen befinden sich derzeit in der Erprobung und werden begleitend evaluiert.

 

Das regionale Netzwerk Zukunft:Pflege befindet sich nach seiner Gründung im Jahre 2012, die auf vorbereitenden Analysen beruhte, im Jahre 2013 in der Etablierung und im Ausbau. Die regelmäßigen Treffen des Netzwerkes fanden auch im Jahre 2013 statt. Zudem arbeiteten parallel verschiedene Arbeitsgruppen aus dem Netzwerk zu zentralen Themen (u. a. AG Kommunikation; AG Qualifikation; AG Botschafter; AG Messe). Einen besonderen Aufwand bedeutete das Thema Qualifikation, weil auf der Netzwerk-Homepage eine Angebots-Nachfrage-Matrix installiert werden soll. Zudem wurden auf der Netzwerk-Homepage vorbereitende Maßnahmen zur Freischaltung eines Blogs getroffen. Ein weiterer wichtiger Punkt bestand in der Vorbereitung einer gemeinsamen Veranstaltung des Verbundprojekts mit allen Netzwerkpartnern, die im Juni 2014 durchgeführt wurde. Die Veranstaltung mit dem Titel „pflegechancen“ hatte den Charakter einer Fach- und Themenmesse für die ambulante Pflege, mit der explizit Pflege- und Führungskräfte aus der Praxis angesprochen werden sollten (siehe: www.pflegechancen.de).

 

Ende 2013 wurde die Netzwerkentwicklung evaluiert. Dies führte zu Anpassungen in der Taktung der Netzwerktreffen (alle 2 statt alle 3 Monate) und zu einer Ausgliederung ausführlich zu behandelnder inhaltlicher Themen in gesonderte Netzwerkveranstaltungen, die im kommenden Jahr öffentlich ergänzend zu den Netzwerktreffen stattfinden werden.

Schließlich wurden im Jahre 2013 Wirtschaftlichkeitsanalysen auf betrieblicher wie Netz­werk-Ebene durchgeführt. Die Ergebnisse werden 2014 vorliegen.

 

4. Veröffentlichungen zum Vorhaben

Becke, G.; Behrens, M.; Bleses, P.; Jahns, K.; Pöser, S.; Ritter, W. (2013): Nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit in der ambulanten Pflege. Zwi­schenbericht des Verbundprojekts Zukunft:Pflege. Bremen: artec-paper 189
(115 Seiten mit verschiedenen Beiträgen aus dem Verbundprojekt)

Becke, G.; Bleses, P. (2013): Kooperativ und vernetzt den demografischen Wandel meistern!, in: præview Nr. 4/2013: Kooperativ und vernetzt den demografischen Wandel meistern! Das Beispiel sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen, S. 6-7.

Bleses, P.; Jahns, K. (2013): Die ambulante Pflege im demografischen Wandel. Soziale Innovationen für eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit, in: præview Nr. 4/2013: Ko­operativ und vernetzt den demografischen Wandel meistern! Das Beispiel sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen, S. 8-9.

Bleses, P.; Jahns, K. (2013): Die ambulante Pflege im demografischen Wandel: Her­ausforderungen und Innovationschancen, in: Gesellschaft für Arbeitswissenschaften e. V., Krefeld, Dortmund: GfA-Press S. 73 – 76.

Bleses, P.;Zago, R. (2013): Psychische Belastungen in der ambulanten Pflege – Mit kleinen Beiträgen viel erreichen, in: CAREkonkret (Ausgabe 49) vom 6.12.2013, S. 12.

Bleses, P. (2013): Mehr Qualität durch mehr Mitsprache: Peter Bleses zur Frage, wie Herausforderungen in Pflegebranche zu meistern sind, in: Weser Kurier vom 5. August 2013, S. 18.

Ritter, W.; Lürßen, S.; Pöser; S. (2013): Stress und schlechtes Gewissen? Experten untersuchen Auswirkung der Zeitabrechung. CAREkonkret, Nr. 14, v. 5.4.2013, S. 9.

Ritter, W.; Lürßen, S.; Pöser; S. (2013): Stress und schlechtes Gewissen? In Häusliche Pflege 05/2013. S. 17.

Ritter, W.; Pöser, S.; Bleses, P.; Becke, G.; Behrens, M.; Jahns, K.; Rothgang, H. (2012):Zukunft:Pflege – Verbesserung der Beschäftigungsfä­higkeit bei der Pflegearbeit durch Organisationslernen und regionale Netzwerkbildung, in: sicher ist sicher – Arbeitsschutz aktuell, Nr. 63, Mai,
S. 216 – 219

Ritter, W.; Schimitzek, I.; Pöser, S. (2013): Gemeinsame Qualifikations­entwicklung als Synergie für Unternehmen in der ambulanten Pflege. Von Einzelbedarfen zu einem unternehmensübergreifenden »Qualifikationsmarkt« in einem Netzwerk, in: præview Nr. 4/2013: Kooperativ und vernetzt den demografischen Wandel meistern! Das Beispiel sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen, S. 14-15.

Zukunft der Pflege im demografischen Wandel – Herausforderungen für ambulante Dienste, in: Bremer Netzwerk aus Pflegepraxis und ‑forschung schnürt Maßnahmenpaket,
in: CAREkonkret, Nr. 40, v. 05.10.2012, S. 11

 

Internetadressen

Das Verbundprojekt Zukunft:Pflege hat eine zentrale Webseite (www.zukunft-pflege.uni-bremen.de), auf der alle projektrelevanten Informationen und Downloads erhältlich sind.

Das Netzwerk Zukunft:Pflege verfügt einen eigenständigen Internet-Auftritt (www.zukunft-pflege.uni-bremen.de/netzwerk).

Die Veranstaltung „pflegechancen“ vom Juni 2014 ist ebenfalls unter einer gesonderten Web-Adresse aufrufbar und wird hier beständig aktualisiert (www.pflegechancen.de.)

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