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Zehn Jahre Jahrbuch Gute Arbeit – ein gewerkschaftliches Erfolgsprojekt

- Zehn Jahre wissenschaftliche Analyse und politische Strategiedebatten -

Das Jahrbuch „Ökologie der Arbeit“ 2018 ist das zehnte seiner Art. Durch die Zusammensetzung der Herausgeber und der Redaktion symbolisiert das Jahrbuch-Projekt eine erfolgreiche Kooperation von IG Metall und ver.di. Aber auch Autor*innen aus anderen Gewerkschaften und dem DGB wirken mit. Seit nunmehr einem Jahrzehnt bietet das jährlich erschienene Kompendium ein Forum der wissenschaftlich informierten und politisch ambitionierten Debatte über die Gegenwart und Zukunft der Arbeit. Dieses Diskussionsangebot wurde erfreulich bereitwillig und breit aufgenommen: von Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und vor allem von örtlichen und betrieblichen Gewerkschafter*innen, die über Alltagsprobleme ihrer Arbeit berichteten und über Erfolge der betrieblichen Praxis informierten. Die Auflage der Jahrbücher erreichte stets eine Zahl von über 5000 Exemplaren, wobei Gewerkschaftsmitglieder nur einen stark ermäßigten Preis zahlen müssen. Die Gewinnung zahlreicher Autor*innen aus der Wissenschaft wurde dadurch erleichtert, dass die IG Metall seit dem gleichen Zeitraum mit der Bildung eines Arbeitskreises Arbeitspolitik und Arbeitsforschung einen stabilen Kooperationskontext von Arbeitssoziolog*innen und Arbeitswissenschaftler*innen schuf (vgl. Arbeitskreis Arbeitspolitik und Arbeitsforschung der IG Metall (Hrsg.): Beiträge zur Arbeitspolitik und Arbeitsforschung. Handlungsfelder, Forschungsstände, Aufgaben, Frankfurt 2010, im Internet verfügbar: https://www.uni-marburg.de/fb03/soziologie/institut/arbeitsschwerpunkte/soz_wirt/dateien_funder/arbeitspolitik.pdf).

In der Konzeption der Jahrbücher ging es stets um die Anforderungen und Perspektiven guter Arbeit, also um das Leitbild einer Erwerbsarbeit, das soziale Sicherheit, gesundheits- und qualifikationsförderliche Arbeitsbedingungen sowie Spielräume der Persönlichkeitsentwicklung zu verbinden sucht und sich zugleich zentralen gesellschaftlichen Debatten und Anforderungen stellt. Fragen einer humanisierungsorientierten Arbeitspolitik wurden dabei stets thematisiert. Schon im Jahr 2002 hatten Klaus Pickshaus und Hans-Jürgen Urban in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften“ eine neue Humanisierungsoffensive eingefordert, die dann in einem ersten Projekt Gute Arbeit der IG Metall ab 2003 mündete (vgl. im Internet http://51809010.swh.strato-hosting.eu/archiv/literatur/pickshaus_urban_perspektiven.pdf). Jedoch das Spektrum der Schwerpunktthemen der Jahrbücher ab 2009 reichte über das Anknüpfen an die HdA-Tradition hinaus. Es umfasste Fragen der Digitalisierung, der Demografie und schließlich auch der sozial-ökologischen Transformation des nicht nachhaltigen Entwicklungsmodells des Gegenwartskapitalismus.

Dabei kann das Schwerpunktthema dieses Jubiläumsbandes 2018 als Klammerthema der bisherigen Jahrbücher verstanden werden (weitere Informationen zu den Jahrbüchern hier https://www.bund-verlag.de/buecher/jahrbuch-gute-arbeit). Ihm liegt ein weiter Begriff von Arbeitsökologie zugrunde, der betriebliche, aber auch soziale und naturbedingte Aspekte der Verausgabung und Regeneration des menschlichen Arbeitsvermögens umfasst und in politische Gute-Arbeit-Strategien einbindet. Die Konkretisierung einer solchen Strategie war Gegenstand aller bisherigen Jahrbücher. In den meisten Beiträgen stand der betriebliche Blickwinkel im Mittelpunkt. Es ging immer um einen nachhaltigen Umgang mit dem Arbeitsvermögen (s. den Beitrag von Lothar Schröder/Hans-Joachim Schulz im Jahrbuch 2009). Dies schloss gesellschaftliche Regulationserfordernisse ein, soll aber jetzt mit dem Jahrbuch 2018 auf die Impulse für einen sozial-ökologischen Umbau erweitert werden. Schon im ersten Jahrbuch 2009 wurde diese Debatte („Vom Agenda-Setting zur strategischen Debatte“ – Einleitung von Herausgebern und Redaktion) eröffnet und in einer arbeitspolitischen Typologisierung ein arbeitskraftzentrierter Ansatz begründet, der sich mit innovationspolitischem Herangehen überschneidet, sich aber völlig vom vorherrschenden Cost-Cutting-Ansatz absetzt (vgl. den Beitrag von Pickshaus/Urban im Jahrbuch 2009, im Internet verfügbar: https://hans-juergen-urban.de/wp-content/uploads/2017/06/2008_urban_pickshaus_jahrbuch_gute_arbeit_als_strategie.pdf). Die folgenden Jahrbücher 2010 und 2011 setzten sich mit den Folgen der tiefen Wirtschafts- und Finanzkrise sowie mit dem permanenten Restrukturierungstrend auseinander.

Eine Gute-Arbeit-Strategie muss sich auf den aktuellen, also auch von den Beschäftigten als vordringlich bewerteten gewerkschaftlichen Handlungsfeldern bewähren. Für eine Arbeitspolitik von unten, die also das Urteil der Beschäftigten selbst ernst nimmt, ist dies eine Schlüsselfrage (vgl. hierzu den Beitrag von Pickshaus/Urban: Arbeitspolitik von unten, im Internet verfügbar: http://51809010.swh.strato-hosting.eu/archiv/literatur/2014/arbeitspolitik_von_unten.pdf). Folgerichtig behandelten die Jahrbücher 2012 und 2013 das Thema „Zeitbombe Arbeitsstress“ einschließlich der daraus resultierenden Forderungen an die Politik (Anti-Stress-Verordnung). Die Themen Prekarisierung, Qualifizierung und demografischer Wandel schlossen sich als Schwerpunkte 2014 und 2015 an und wurden 2016 mit dem aktuellen Thema Digitalisierung fortgesetzt. Immer standen auch die Schlussfolgerungen für eine qualitative Tarifpolitik im Blickpunkt – so insbesondere 2015 – und konnten 2017 mit Blick auf das Thema Arbeitszeitpolitik konkretisiert werden.

Es lag also nahe, das schon gut ausgearbeitete gewerkschaftliche Konzept „Gute Arbeit“ nun in den Kontext einer weiter gefassten sozial-ökologischen Umbaustrategie zu stellen (vgl. hierzu den konzeptionellen Beitrag von Hans-Jürgen Urban: https://hans-juergen-urban.de/wp-content/uploads/2017/11/2017_oekologie_der_arbeit_in_jahrbuch_gute_arbeit.pdf). Gewerkschaftliches Engagement für persönlichkeits- und gesundheitsförderliche Arbeit, die Vermeidung von Selbstgefährdung durch Arbeiten ohne Ende (bei indirekten Unternehmenssteuerungsformen), für Prävention bei psychischen Belastungen, die durch den digitalen Umbruch in der Arbeit noch verstärkt werden, für Arbeitszeitverkürzung und mehr Zeitsouveränität mit neuen Potenzialen für Care-Arbeit – alles das erfordert zugleich einen Abschied vom „Immer-mehr-und-immer-schneller“ durch permanenten Produktivitätssteigerungszwang, Offenheit für das Wie, das Was und das Wozu der Produktion im Interesse einer auch ökologisch verträglichen Produktions- und Wirtschaftsweise. Gute Arbeit bedeutet also auch sinnvolle, befriedigende Arbeit, die nachhaltige Lebensstile fördert und sich in die Anforderungen sozialer und Naturverträglichkeit einordnet. Denn kein Zweifel: Ökologie der Arbeit ist ein Thema der Gegenwart. Und vor allem der nahen Zukunft. Die Überlastung und Überausbeutung der natürlichen Stoffkreisläufe geht einher mit der Überlastung und Überausbeutung menschlicher Arbeitskraft. Nicht nur in den Billiglohnhöllen des globalen Südens, auch in den Metropolen, auch in Deutschland. Die Prekarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen, Armut und Ungleichheit nehmen zu. Daran ändern auch geschönte Armuts- und Reichtumsberichte nichts. Dieser Herausforderung müssen sich die Gewerkschaften stellen.